Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder
kommen, das Geld veruntreut zu haben. Einige Höflinge, die von der Sache Wind bekamen und die gern selber als Königsboten reisen würden, um sich die Taschen zu füllen, streuen schon eifrig Verdächtigungen. Wohlmeinende belächeln uns und raten, für ein so aussichtsloses Unternehmen keine Zeit zu verschwenden. Sie trösten uns mit einem philosophischen Verslein:
Suche nicht, was im Sumpf versank,
Du triffst nur auf Blasen und Gestank!
Zum Glück haben wir aber bei dieser Mission nicht nur Blasen hinterlassen. Auf der Gerichtsversammlung, die wir kurz vor unserer Abreise einberiefen, konnten wir manchen Übeltäter zur Verantwortung ziehen. Viele Mißstände wurden beseitigt. Einige örtliche Machthaber wurden von uns ihrer Ämter enthoben und zu empfindlichen Bußen verurteilt.
Was allerdings den Comes Magnulf betrifft, so war diesem alten Schlauberger, der sich so trefflich an Geschenken gemästet hatte, kaum beizukommen. Unter den Spendern solch milder Gaben herrschte allerorten verschwörerisches Stillschweigen. Der Comes beherzigte aber den Rat des Herrn Marschalks und zog sich nach einem wüsten Abschiedsgelage, das er gerade noch lebend überstand, freiwillig von seinem Amte zurück. Dies sollte ja eigentlich zugunsten Odos geschehen, und der Herr Marschalk hatte versprochen, sich beim Herrn König für die Ernennung meines Freundes einzusetzen. Doch auch in diesem Punkt zeigte er sich vergeßlich, wiewohl nur teilweise, bezüglich des letzterwähnten Versprechens. Nicht vergessen hatte er nämlich, daß ein einträglicher Posten frei wurde. Auf unserer Rückreise begegneten wir einem Trupp mit einem stolzen jungen Herrn an der Spitze, einem Königsvasallen, den Odo gut kannte. Dies war niemand anders als ein Neffe der Frau Gemahlin des Marschalks, und nach seinem Ziel befragt, gab er die Stadt an, in der wir gewirkt hatten. Der Herr König hatte ihn zum Comes ernannt!
Nur mühsam konnte ich Odo hindern, dem jungen Herrn mit dem Schwert ein paar Fragen zu stellen.
„Du tatest recht daran, Vater, mich zurückzuhalten“, sagte er aber später zu mir. „Die Fragen muß ich dem obersten Pferdeknecht stellen!“
„Bedanke dich lieber bei ihm“, erwiderte ich, „daß du nicht wieder dorthin zurückkehren mußt.“
„Das werde ich hinterher tun“, meinte er lachend, „nachdem er meine Fragen beantwortet hat!“
Er brächte es fertig, den Herrn Marschalk herauszufordern, der aber, wie schon berichtet, abwesend ist. In diesem Fall muß man sagen: zum Glück!
Zu einer guten Wahl ohne Betrug und Begünstigung, meine ich, kam es für die Nachfolge des ermordeten Bischofs. Ich selber beteiligte mich daran, und inzwischen wurde sie vom Herrn König bestätigt. Der Archidiakon einer Nachbardiözese, ein aufrechter und gelehrter Mann ohne weltliche Neigungen, wie Sallustus Zögling des früheren hochgeehrten Bischofs Eustasius, erhielt Ring und Krummstab. So ist Hoffnung, daß der Schaden, der unserer heiligen Kirche unter seinem Vorgänger erwuchs, durch ihn bald wiedergutgemacht wird.
Trauriges muß ich noch von Sallustus berichten. Der kleine Priester mit dem Karottenkopf hat den Verstand verloren.
Solange wir in der Stadt weilten, war dies allerdings noch nicht zu erahnen. Denn wenn er auch meist fiebernd darniederlag und sich nur von Zeit zu Zeit in die Kirche schleppte, um seinen Dienst zu versehen, stand er immer noch in vernünftiger Weise Rede und Antwort und tat nichts Absonderliches. So schrieb er in wohlgesetzten Worten die Erklärung, die ich von ihm verlangte, wobei er unaufgefordert ein Reuebekenntnis hinzufügte. Als er mir das Blatt überreichte, kam es sogar zu einem recht anregenden Disput zwischen uns über eine These des Augustinus, die rechtliche Stellung der Juden als der Erbringer des Existenzbeweises unseres Herrn Jesus Christus betreffend. Von Fausta sprachen wir niemals mehr, schon gar nicht von unserem gemeinsamen Erlebnis in der nächtlichen Kirche. Er fand sich auch damit ab, bei der Bischofswahl wiederum übergangen zu werden, und stimmte gleichmütig für den Kandidaten der Mehrheit. Als ein seltsamer Kauz und unverbesserlicher Eiferer, als ein Mensch, der von inneren Nöten geplagt war, blieb er mir im Gedächtnis.
Dann aber erfuhr ich von einem jungen Subdiakon, der jener bereits erwähnten Abordnung zur Bischofsweihe angehört hatte, was inzwischen geschehen war. Während eines Hochamts, bei dem er selbst Zelebrant war, hatte Sallustus plötzlich ein schauriges
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