Öl!
geschafft, wieder im Zeitplan zu sein. Sie fuhren um die Stadt herum, um dem Verkehrsgewühl im Zentrum zu entgehen, und schon bald kam ein Schild «Beach City Boulevard». Es war eine breite Asphaltstraße mit Tausenden von schnell fahrenden Autos, weiteren Erschließungsgebieten, vorstädtischen Einfamilienhäusern und zahllosen raffinierten Reklametafeln, die das Interesse der Autofahrer wecken und sie zum Anhalten bringen sollten. Die Immobilienmakler hatten offenbar «Tausendundeine Nacht» und Grimms Märchen gelesen, sie hausten in absonderlichen kleinen Bürogebäuden, die es nur bis zu einer gewissen Höhe gebracht hatten oder schief dastanden wie ein betrunkener Seemann. Das ursprüngliche Orange-Rosa oder Blau-Grün der bunt bemalten Schindeln hatte inzwischen allerlei Farbkleckse. Es gab Schilder mit «Gutes Futter» und «Barbecue», Letzteres ein Wort, das zur Schulzeit der Schildermaler offenbar nicht zum Lehrplan des Rechtschreibunterrichts gehört hatte. Vor Kiosken für Orangensaft und Cider standen orange gestrichene Korbstühle. Es gab Obst- und Gemüsestände von Japanern und andere, die einen aufforderten, grundsätzlich bei Amerikanern zu kaufen. Es gab unendlich viel zu sehen, und für einen Dreizehnjährigen war alles auf seine Art aufregend. Wie ungeheuer fremd und faszinierend war diese buntscheckige Welt! Warum machen die Leute dies, Dad? Warum machen sie das?
Sie kamen nach Beach City mit der breiten Avenue am Meer. Halb sieben zeigte die Uhr auf dem Armaturenbrett an – genau im Zeitplan. Sie hielten vor dem großen Hotel, Bunny stieg aus und öffnete den Gepäckkasten, und schon kam der Hotelpage angesprungen – kein Wunder, er kannte ja Dad und die Dollars und halben Dollars, die in dessen Taschen klimperten. Der Page schnappte sich Koffer und Mäntel und trug sie hinein, und der Junge folgte ihm. Er kam sich verantwortungsvoll und wichtig vor, denn Dad konnte noch nicht kommen, Dad musste erst den Wagen auf den Parkplatz fahren. Also schlenderte Bunny hinein und sah sich im Foyer nach Ben Skutt um, dem Ölsucher, Dads Spürhund. Und da saß er auch schon in einem großen Ledersessel, paffte eine Zigarre und hielt den Blick auf die Tür gerichtet. Als er Bunny sah, stand er auf, reckte seinen langen, hageren Körper und verzog sein hageres, hässliches Gesicht zu einem Begrüßungsgrinsen. Im Bewusstsein dessen, dass er J. Arnold Ross junior war und seinen Vater in einem wichtigen Geschäft vertrat, hielt sich der Junge sehr aufrecht, schüttelte dem Mann die Hand und sagte: «Guten Abend, Mr Skutt. Sind die Papiere fertig?»
KAPITEL 2
Der Pachtvertrag
1
Die Adresse lautete Los Robles Boulevard Nr. 5746 , und man musste dieses Land der Hoffnung schon gut kennen, um zu wissen, dass das Haus auf einem Kohlacker stand. Los Robles heißt «Die Eichen», und zwei, drei Meilen weiter vorn, dort, wo dieser Boulevard im Herzen von Beach City begann, standen tatsächlich vier Lebenseichen. Aber hier draußen: ein nackter, ziemlich steiler Hang, wenn auch nicht zu steil zum Ackern und Pflügen und Kohlanbauen. Auf dem ebenen Teil waren es Zuckerrüben. Das Auge der Hoffnung hatte mit Hilfe von Vermessungsgeräten gesehen, dass hier eines Tages ein breiter Boulevard verlaufen würde, und so gab es jetzt eine Schotterstraße und an jeder Kreuzung weiße Pfosten mit Schildern, eins Richtung Norden und eins Richtung Osten weisend: «Los Robles Blvd. – Palomitas Ave.», «Los Robles Blvd. – El Centro Ave.», und so weiter.
Vor zwei Jahren waren hier die «Erschließer» mit ihren roten und gelben Fähnchen aufgetaucht; in den Zeitungen erschienen ganzseitige Anzeigen, es gab einen Gratiszubringerdienst mit dem Auto von Beach City und einen Gratislunch mit Hotdogs, Apfelkuchen und Kaffee. Der Kohl war bereits abgeerntet und das Gelände planiert, und auf den Grundstücken erblühten kleine Schilder: «Verkauft». Dies sollte sich eigentlich auf den Bauplatz beziehen, aber im Lauf der Zeit stellte sich heraus, dass es sich eher auf den Käufer bezog. Die Firma hatte sich verpflichtet, Randsteine zu setzen, Gehsteige zu bauen und Wasser- und Gasleitungen sowie Abwasserkanäle zu verlegen, doch irgendwer brannte mit dem Geld durch, das Unternehmen machte Bankrott, und kurz darauf erschienen neue Schilder: «Zu verkaufen, vom Eigentümer», oder: «Günstiges Angebot! Anfragen an Smith & Headmutton, Immobilien». Als auf diese Schilder niemand reagierte, seufzten die Eigentümer und trösteten
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