Öl!
der Gegend umhergeschleudert, sodass die Männer um ihr Leben rennen mussten. Das Saugbecken lief voll, ging über wie ein zu heftig kochender Suppentopf und ergoss sich den Abhang hinunter. Vom Wind getragen, legte sich ein Schleier aus schwarzer, nebliger Gischt über das Haus der Culvers, schwärzte es und trieb die Frauen aus dem Haus und über die Kohläcker. Später wurde unter homerischem Gelächter erzählt, die Frauen hätten rumgejammert, weil ihre Kleider und Vorhänge ruiniert seien – von dieser Millionen Dollar schweren Flut aus schwarzem Gold!
Die Neuigkeit verbreitete sich per Telefon nach Beach City; die Zeitungen brachten eine Kurzmeldung, die Menschenmenge schrie es auf der Straße, und es dauerte nicht lange, da waren die Straßen zum Prospect Hill schwarz von dicht an dicht fahrenden Autos. Die Nachricht erreichte Angel City, die dortigen Zeitungen druckten Extrablätter, und noch vor Einbruch der Nacht war der Beach City Boulevard verstopft von Autos, die zweispurig alle in dieselbe Richtung fuhren. Fünfzigtausend Menschen standen geschlossen in (wie sie glaubten) sicherer Entfernung um den Ölschwall, Polizisten versuchten sie zurückzutreiben und schrien: «Kein Feuer! Keine Streichhölzer!» Die ganze Nacht wurden diese Worte im Chor wiederholt, jeder wusste um die Gefahr. Wenn sich nur ein einziger gedankenloser Idiot eine Zigarette anzündete, würde der ganze Hang in einer einzigen Stichflamme hochgehen; es genügte ein Nagel im Schuh, der über einen Stein schrammte, oder ein Lastwagen mit Stahlrädern. Sehr häufig fingen diese Fontänen schon bei der erstbesten Gelegenheit Feuer.
Immer mehr Menschen drängten heran, Männer klappten die Wagendächer zurück, stellten sich auf die Sitze und hielten bei Sternenlicht Versteigerungen ab. Parzellen wurden zu fabelhaften Preisen angeboten und manchmal auch gekauft, Pachtverträge offeriert, Firmen gegründet, Anteile verkauft. Handelspartner bahnten sich einen Weg durch die Menge, bis sie auf der Windseite in sicherer Entfernung standen, sodass sie ein Zündholz anreißen, dem anderen ins Gesicht blicken und eine Notiz mit dem Inhalt ihrer Vereinbarungen kritzeln konnten. Fast die ganze Nacht hindurch wurden solche Geschäfte gemacht. Am Morgen kamen große Zelte hinzu, wie man sie von den Erweckungsversammlungen kennt, und die Kohläcker schmückten sich mit roten und schwarzen Schildern: «Beach-Genossenschaft Nr. 1», «Skite-Konsortium Nr. 1, 10 000 Anteile à 10 Dollar».
Unterdessen schufteten die Arbeiter wie wahnsinnig, um den aus dem Bohrloch sprudelnden Schwall zu stoppen; sie stolperten hierhin und dorthin, halb blind von der schwarzen Gischt, und fanden nirgendwo Halt, konnten sich nirgendwo anklammern, denn alles war glitschig und troff von Öl. Im Dunkeln umhertastend, mühten sie sich ab, und nur das Gebrüll des Ungeheuers, seine Schläge auf ihren Körper, sein Spucken in ihr Gesicht verriet ihnen, wo es war. Sie arbeiteten mit Volldampf, denn es waren hohe Belohnungen ausgesetzt, fünfzig Dollar für jeden, wenn sie die Flut vor Mitternacht stoppten, hundert, wenn es ihnen vor zehn Uhr gelang. Niemand vermochte auszurechnen, welche Reichtümer dieses Ungeheuer vergeudete, bestimmt waren es pro Minute Tausende von Dollar. Mr Culver, der sich persönlich ins Zeug legte, zerriss es bei seinen verwegenen Bemühungen beide Trommelfelle. «Der hat versucht, das Loch mit seinem Kopf zu stopfen», sagte ein Arbeiter mitleidlos. Außerdem stellte der Eigentümer in den folgenden Wochen fest, dass er insgesamt zweiundvierzig Schadensersatzklagen am Hals hatte, wegen ruinierter Häuser, Kleider, Hühner, Ziegen, Kühe, Kohlköpfe, Zuckerrüben und Automobile, die auf den allzu gut geschmierten Straßen in den Graben geschlittert waren.
2
Das Haus Los Robles Nr. 5746 gehörte Joe Groarty, Nachtwächter bei der Altmann Lumber Company in Beach City. Mrs Groarty hatte in Heimarbeit Wäsche gewaschen, um für ihre sieben Kinder mitzuverdienen; jetzt, wo die Kinder erwachsen und in alle Winde verstreut waren, hielt sie sich Kaninchen und Hühner. Joe ging normalerweise um sechs Uhr abends zur Arbeit, doch am dritten Tag nach dem Ölfund hatte er gewagt, seine Stelle zu kündigen, und nun stand er auf der vorderen Veranda, ein sanfter, grauhaariger alter Knabe in einem schwarzen Anzug mit Zelluloidkragen und schwarzer Krawatte, seinem Gewand für Sonn- und Feiertage, Hochzeiten und Beerdigungen. Mrs Groarty besaß kein für den
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