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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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Miete weiter dort wohnen zu lassen, solange sie wolle.
    Ruth liefen die Tränen über die Wangen, und sie musste den Kopf zur Seite drehen; sie konnte sich nicht beherrschen, und es war ihr sehr peinlich, denn sie hatte nichts, womit sie die Tränen abwischen konnte, sie brauchte jedes Stückchen Stoff ihres Kleides, um die bloßen Beine zu bedecken. So glitt sie von ihrem Felsblock herunter und weinte ein wenig, wo er sie nicht sah; und Bunny saß beunruhigt da, nicht so sehr wegen dieses Gefühlsausbruchs als wegen des moralischen Konflikts in seinem Inneren. Freilich, er hatte Dad hierhergelotst, damit den Watkins geholfen würde, das war sein eigentliches Motiv gewesen, und das Öl hatte bloß als Vorwand gedient, um Dad zu überreden. Am Ende hätte er die Ranch auch ohne Öl gekauft, nur um der Familie zu helfen; Bunny hätte zwar einige gute Gründe anführen müssen, aber Dad hätte es gemacht. So tröstete sich Bunny; und dennoch musste er die ganze Zeit an die Operation denken, die in der Hütte stattfand, während er hier saß und zuließ, dass Ruth in ihm einen Helden und Erlöser sah.
    Dad hatte gesagt: «Was macht so ein armseliger alter Tölpel mit einem Haufen Öldollars?» Und in Bezug auf Ruth würde Dad genauso argumentieren: Sie war gesund und glücklich, wenn sie mit bloßen braunen Beinen da draußen in der Sonne saß, für sie war es das Beste auf der Welt, viel besser, als wenn ihre Beine in kostbaren Seidenstrümpfen steckten. Das stimmte ja auch, aber – in Bunnys Kopf begann ein kleiner Kobold Gegengründe zu liefern – warum durften dann andere Frauen Seidenstrümpfe tragen? Zum Beispiel Tante Emma an ihrem Frisiertisch, die hatte nicht nur Seidenstrümpfe, sondern auch ein Korsett aus Paris und eine ganze Batterie von Tinkturen – warum war es für Tante Emma nicht das Beste, mit bloßen braunen Beinen hier draußen in der Sonne zu sitzen und Ziegen zu hüten?
    8
    Bunny hörte, wie Dad nach ihm rief; und so verabschiedete er sich und lief den Arroyo hinunter. Dad saß im Auto. «Wir fahren nach Paradise», sagte er. «Aber zieh dir erst andere Schuhe an.» Bunny tat es und versteckte die Ölschuhe hinten im Auto. Dann sprang er hinein, sie rollten auf die Straße hinaus, und Dad bemerkte vergnügt: «So, mein Sohn, die Ranch gehört uns.»
    Dad freute sich über das gewonnene Spiel und erzählte Bunny davon. Dass Bunnys Gefühle diesbezüglich vielleicht etwas komplizierter waren, ignorierte er. Anfangs hatte er Mr und Mrs Watkins taktvoll darauf angesprochen, dass es der Familie an Brot fehle, und das hatte Mr Watkins bewogen, ihm die Sachlage zu schildern. Auf der Ranch lag eine Hypothek von sechzehnhundert Dollar, dazu fast dreihundert Dollar überfällige Zinsen, und die Bank hatte ihnen eine letzte Mahnung geschickt, nächste Woche begann das Zwangsvollstreckungsverfahren. Daraufhin hatte Dad erklärt, er suche einen Ort zum Zelten im Sommer, wo sein Junge unter freiem Himmel leben könne, und er würde ihnen die Ranch zu einem fairen Preis abkaufen. Die arme Mrs Watkins begann zu weinen – sie war offenbar in diesem Haus geboren, es war ihre Heimat. Kein Grund zur Sorge, sagte Dad, sie dürften hier wohnen bleiben und das Land bebauen, er verpachte es ihnen für neunundneunzig Jahre zu zehn Dollar pro Jahr. Der alte Mann ergriff Dads Hand; er habe gewusst, sagte er, dass der Herr sie erretten werde. Dieses Stichwort griff Dad auf. Er sei vom Herrn gesandt, erklärte er, gemäß der Offenbarung des Wahren Wortes, und Mr Watkins habe nur getan, was der Herr Dad geboten habe, ihm, Mr Watkins, zu gebieten!
    Und dann hatte J. Arnold Ross die Angelegenheiten dieser Familie geregelt, und zwar gründlich. Von jetzt an gab es kein Geld mehr für die Mission und dergleichen Unsinn. Der Herr hatte Dad befohlen, Mr Watkins zu befehlen, er solle mit dem Geld seine Kinder ernähren, kleiden und ausbilden. Des Weiteren hatte der Herr gesagt, dass der Grundstückswert nicht in bar ausbezahlt werden dürfe, sondern in Form von Einlagezertifikaten bei einer Treuhandgesellschaft, die der Familie ein kleines Einkommen ausbezahlen werde, etwa fünfzehn Dollar im Monat. Das war doch um einiges besser, wie wenn man monatlich fast zehn Dollar Hypothekenzinsen an die Bank berappen musste! Außerdem hatte der Herr verfügt, dass dieses Geld für die Kinder treuhänderisch verwaltet werden musste, und wenn Bunnys Freund Paul auch seinen Teil abbekam, so hatte er das Dad zu verdanken. Mr Watkins hatte

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