Öl!
plünderte.
Irgendwer erzählte von einem weiteren Glanzstück der heimgekehrten Soldaten – sie hatten eine Zensur für Spielfilme eingeführt. In einem Kino in Angel City war ein deutscher Film angelaufen, «Das Cabinet des Dr. Caligari», und diese Invasion der Hunnen hatte die Legionäre dermaßen erbost, dass sie ihre Uniformen anzogen, eine Sperre vor dem Kino errichteten und die Leute, die hineinwollten, verprügelten. Tommy Paley lachte – der Verband der Filmproduzenten habe der Forschheit dieser Veteranen mit einem Fünfdollarschein pro Nase auf die Sprünge geholfen. Sie wollten nämlich keine ausländischen Filme, die zu hohe Qualitätsmaßstäbe setzten!
Nun kam Schmolsky. Er war zu dumm, um etwas wie Ironie zu begreifen, und stellte fest, die Regisseure hätten verdammt recht. Schmolsky, ein Jude aus Rhutenien, Rumelien, Rumänien oder so, 112 war der Meinung, wir bräuchten keine ausländischen Filme, die unsere Produktionspläne über den Haufen würfen. Etwa eine Stunde später hörte Bunny, wie er voraussagte, dass die Hollywoodfilme den deutschen Markt erobern würden; es werde keine drei Jahre mehr dauern, bis das ganze Geschäft in unseren Händen sei. « Vae victis! », bemerkte Bunny, und Schmolsky sah ihn verständnislos an und machte: «Hä?» 113
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Von einem solchen Wochenende nach Angel City zurückgekehrt, begleitete Bunny Rachel zu einer Versammlung der «Young People’s Socialist League». Fünfundzwanzig oder dreißig Jungen und Mädchen aus der Arbeiterklasse trafen sich einmal in der Woche in einem düsteren Raum, lasen Zeitungen und diskutierten über Probleme aus Politik und Wirtschaft, über die Gewerkschaftsbewegung und die sozialistische Partei. Rachel war mit dieser Organisation aufgewachsen und genoss dort großes Ansehen, weil sie an der Universität gewesen war und den «Genossen Ross» mitbrachte. Auch ein durch und durch «klassenbewusster» junger Mensch war unwillkürlich ergriffen von diesem ungewöhnlichen Anblick: ein Millionär, der mit den Arbeitern sympathisierte und geholfen hatte, politische Gefangene gegen Kaution freizukriegen.
Bei diesen jungen Sozialisten stand wie bei den alten ein rechter Flügel einem linken gegenüber. Alle stritten über die Vorgehensweisen und regten sich fürchterlich auf. Die Kommunisten hatten eine ähnliche Organisation, die «Young Workers’ League» 114 , und die beiden feindlichen Lager hörten nicht auf, sich gegenseitig aus dem Hinterhalt zu beschießen. Manchmal veranstalteten sie offizielle Rededuelle, dann rutschten die jungen Leute unruhig auf ihren Stühlen hin und her, und zu Hause und am Arbeitsplatz führten sie die Auseinandersetzungen noch wochenlang fort. Hier kämpften Moskau gegen Amsterdam, die Dritte Internationale gegen die Zweite 115 und die «Roten» gegen die «Rosaroten», wie man die gemäßigten Sozialisten nannte. Und in Bunnys Seele spielte sich derselbe Kampf ab. Erst zog ihn Paul Watkins in die eine Richtung, dann zerrte ihn Rachel Menzies wieder zurück; sein Problem lag darin, dass er immer die Meinung dessen teilte, mit dem er zuletzt gesprochen hatte. Er neigte dazu, den Standpunkt seines Gegenübers verstehen zu wollen, und ging darin auf. Warum nur hatte er keine eigene Meinung?
Theoretisch war es möglich, den Wandel vom Kapitalismus zum Sozialismus Schritt für Schritt auf friedlichem Wege herbeizuführen. Jedermann konnte die Schritte planen. Aber sobald man den ersten wirklich tun wollte, wurde man mit der Tatsache konfrontiert, dass die Kapitalisten keine Lust hatten, sich zu Sozialisten weiterzuentwickeln, und keinen einzigen dieser Schritte zuließen. Alle Welt wusste, dass sie bisher die Arbeiter beständig ausgetrickst und sogar die Regierung gezwungen hatten, die Verbesserungen zurückzunehmen, die unter dem Druck des Krieges durchgesetzt worden waren. Ebenso traf Pauls Einwand zu, dass die Kapitalisten den Arbeitern gar nicht gestatteten, friedlich zu sein; sie selbst griffen andauernd zu Gewalt und scherten sich, wenn es ihnen in den Kram passte, keinen Deut um Gesetz und Verfassung.
Es war ein Jammer mit den Sozialisten, fand Bunny. Zum Beispiel ein Mann wie Chaim Menzies; der hatte den Weitblick und die Geduld des älteren Arbeiters, hatte endlose Jahre der Schufterei hinter sich und endlose vor sich, der schreckte nicht zurück vor der Aufgabe, eine Organisation aufzubauen. Aber er konnte das Bauwerk nie fertigstellen, die Bosse rissen es über Nacht wieder ein; sie
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