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Öland

Öland

Titel: Öland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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gleichen Moment hörte er ein Motorengeräusch.
    Es war ein Auto, es kam aus Stenvik.
    Der Wagen war groß, glänzend und dunkelgrün: ein Jaguar mit rhythmisch schwingenden Scheibenwischern.
    Es fuhr nicht weiter, sondern bremste, die leicht getönte
     Fensterscheibe glitt herab und gab den Blick auf ein Gesicht
     mit grauem Bart frei.
    »Hallo!«, rief eine fröhliche Stimme.
    Gerlof erkannte Gunnar Ljunger aus Långvik.
     Den Hotelbesitzer zu treffen, der ihm ständig mit Bestellungenfür neue Buddelschiffe in den Ohren lag, wenn sie sich
     sahen, war ungefähr das Letzte, was sich Gerlof gewünscht
     hätte, aber er hob dennoch die Hand zu einem müden Gruß.
    »Guten Tag, Gunnar«, sagte er leise.
    »Hallo, Gerlof«, rief Gunnar aus dem Wageninnern. »Wohin bist du denn unterwegs?«
    Das war eine ziemlich dämliche Frage, die eine genauso
     dämliche Antwort verdient gehabt hätte, aber Gerlof machte
     nur eine müde Kopfbewegung und sagte:
    »Nach Stenvik.«
    »Willst du jemanden besuchen?«
    »Ja.« Der Wind zerrte an Gerlof. »Astrid.«
    »Astrid Linder?«, fragte Ljunger. »Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie zu Hause ist, als ich gerade vorbeigefahren
     bin. Es war alles dunkel.«
    »Ach ja?«
    Wenn Astrid nicht zu Hause war, dann war niemand in
     Stenvik – und Gerlof würde im eisigen Wind am Meer erfrieren.
    »Du fährst nicht zufällig nach Marnäs, Gunnar?«, fragte er
     den Hotelbesitzer.
    »Doch … Ich wollte da ein paar Dinge erledigen. Ich nehm
     dich mit.«
    »Wirklich?«
    »Klar doch.« Ljunger beugte sich vor und öffnete die Beifahrertür. »Steig ein.«
    »Das ist nett von dir.«
    Mühsam setzte sich Gerlof in das Auto.
    Es war sehr warm im Wagen, die Klimaanlage lief auf
     Hochtouren. Ljunger hatte seine gelbe Steppjacke über den
     Sitz gehängt, und obwohl Gerlof ziemlich durchgefroren war,
     knöpfte auch er seinen Mantel auf.
    »Gut, dann fahren wir jetzt mal nach Marnäs«, sagte Gunnar gut gelaunt.
    Er drückte das Gaspedal durch, und der Wagen schoss
     mit solcher Wucht nach vorn, dass Gerlof tief in den Sitz gedrückt wurde.
    »Hast du es eilig, Gerlof?«, fragte Ljunger.
    Gerlof schüttelte den Kopf.
    »Nein, aber ich würde gerne …«
    »Gut, dann haben wir ja Zeit, uns noch etwas anzuschauen«, unterbrach Gunnar ihn.
    Sie hatten bereits die Abzweigung zur Landstraße erreicht,
     die so leer war wie zuvor. Ljunger bog ab, allerdings nach
     Süden, nicht nach Norden.
    »Ich glaube nicht, dass ich …«, begann Gerlof, aber Ljunger
     unterbrach ihn erneut.
    »Wie läuft es mit den Buddelschiffen?«
    »Gut so weit«, erwiderte Gerlof, obwohl er in der letzten
     Woche keinen Handschlag getan, nicht einmal einen Gedanken an sie verschwendet hatte. »Du kannst ja vor Weihnachten mal vorbeikommen, dann sehen wir sie uns an …«
    Ljunger nickte. Er fuhr nur ein kurzes Stück auf der Landstraße, ehe er erneut abbog. Sie waren jetzt auf einem kleinen, steinigen Weg, der sich zwischen einem umgepflügten
     Acker und einer alten Steinmauer hindurchschlängelte. Er
     führte nach Osten, zum Meer.
    »Ich habe mir überlegt … Ist es schon zu spät, mir einen
     roten Schiffsrumpf zu wünschen?«, fragte Ljunger. »Wenn
     das ginge, wäre es großartig.«
    »Doch sicher. Das geht.« Gerlof nickte und holte tief Luft.
     »Gunnar, wo fahren wir eigentlich hin?«
    »Es ist nicht mehr weit«, erwiderte Ljunger. »Wir sind
     gleich da.«
    Dann sagte er nichts weiter, während der Wagen langsam
     den schmalen Weg entlangrollte. Gerlof starrte auf die monotonen Schwingungen der Scheibenwischer.
    Sein Blick wanderte zur Mittelkonsole zwischen ihren Sitzen.Dort lag Gunnars Handy, schwarz mit silbernem Rand
     und viel kleiner als Julias.
    »Wo fahren wir hin, Gunnar?«, fragte er wieder mit leiser
     Stimme.
    Aber Ljunger gab ihm keine Antwort, es schien, als würde
     er Gerlof nicht mehr hören. Er starrte nur auf die regennasse
     Schotterpiste und reagierte mit Leichtigkeit auf Schlaglöcher. Und lächelte.
    Gerlof stand der Schweiß auf der Stirn.
    Er hätte etwas sagen müssen, etwas Ungezwungenes und
     Alltägliches. Eine höfliche Frage über den Zustand der Hotelbranche stellen müssen. Aber er war zu müde, und sein Kopf
     war leer.
    Schließlich stellte er die einzige Frage, die ihn noch interessierte:
    »Bist du eigentlich jemals in Südamerika gewesen, Gunnar?«
    Ljunger schüttelte den Kopf und lächelte.
    »Leider nicht«, antwortete er. »Ich bin nur bis Costa Rica
    

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