Öland
schleppte sich weiter.
Dann stieß er auf Bengt Nyberg, der wie immer auf der
Jagd nach Neuigkeiten war:
»Die Personaldecke im Altersheim von Marnäs soll im Moment sehr dünn sein. Stimmt das? Leiden die Bewohner unter schlechterem Service?«
Aber Gerlof hatte nichts dazu zu sagen. Ihm kam es vor, als
hätte fast jeder Besucher im Gemeindehaus irgendein Anliegen an ihn. Und kurz vor dem Kaffeebüfett stieß er auf GunnarLjunger aus Långvik und seine Frau. Gunnar kam sofort
zur Sache.
»Ich brauche noch sechs, Gerlof«, sagte der Hotelbesitzer.
»Hat deine Tochter mit dir gesprochen? Sie ist in Långvik gewesen, und ich habe sie gebeten, dir auszurichten, dass ich
noch sechs Schiffe brauche!«
Er meinte zweifellos Buddelschiffe.
»Wird das nicht langsam eng in den Regalen?«, fragte
Gerlof.
»Wir werden ausbauen«, antwortete Gunnar. »Sie sollen in
den Fenstern des neuen Restaurants stehen.«
Er zog ein Notizbuch und einen Stift mit dem Werbeslogan EINKAUFEN UND GENIESSEN IN LÅNGVIK! hervor und
schrieb einige Zahlen auf ein Stück Papier.
»Das ist mein Preis«, sagte er. »Pro Schiff!«
Gerlof sah auf den Zettel. Es passte ihm nicht, was Familie
Ljunger in Långvik trieb – in seinen Augen war das Ausbeutung der schönen Landschaft –, aber der vierstellige Betrag
würde ausreichen, um Boots- und Sommerhaus in Stenvik
ein ganzes Jahr zu unterhalten.
»Ich habe zwei Schiffe fertig«, sagte Gerlof. »Die anderen
werden noch ein bisschen dauern … vielleicht sogar bis zum
Frühling.«
»Super, geht in Ordnung.« Ljunger streckte sich. »Ich bezahle sie bei Lieferung. Komm mal nach Långvik zum Essen.«
Sie schüttelten sich die Hand, Gunnars Frau lächelte ihn
an, und dann gingen sie. Endlich konnte Gerlof zur Kaffeetafel, eine Tasse Kaffee trinken und ein Stück Karottenkuchen essen.
Astrid und Carl saßen bereits am Tisch. Als Gerlof sich
mühsam bei ihnen niedergelassen und man ihm Kaffee eingegossen hatte, setzte sich jemand neben ihn. Es war Lennart
Henriksson.
»Jetzt ist das auch vorbei«, sagte der Polizist zu Gerlof.
Gerlof nickte.
»Aber die Trauer bleibt.«
»Ja. Ist Ihre Tochter auch hier?«, fragte Lennart.
»Nein. Sie ist nach Göteborg zurückgefahren.«
»Ist sie denn nicht mehr vorbeigekommen, um sich zu
verabschieden?«
»Nein. Aber das überrascht mich nicht sonderlich.«
Lennart saß schweigend neben ihm und starrte in seine
Kaffeetasse. Er hatte eine tiefe Falte auf der Stirn und trommelte nervös mit den Fingern auf die Tischplatte.
Dann hob er den Blick und sah Gerlof an.
»Sind Sie absolut sicher, dass sie schon gefahren ist?«
»Astrid hat gesagt, dass ihr Auto weg ist.«
Astrid nickte.
»Auf der Landborg stand kein Wagen«, bestätigte sie. »Und
im Bootshaus war alles zugezogen, stimmt doch, Carl?«
Ihr Bruder nickte.
»Hat sie sich bei Ihnen verabschiedet?«, fragte Lennart.
Gerlof verstand nicht, warum er so beunruhigt war.
»Nicht so richtig«, antwortete sie. »Aber manchmal hat
man ja dann für so was keine Zeit mehr …«
»Ich rufe sie mal eben an«, sagte Lennart. »Ist das in Ordnung, Gerlof?«
»Natürlich«, sagte Gerlof. »Stimmt was nicht?«
»Nein«, sagte Lennart und zog sein Handy heraus.
»Sie haben ihre Nummer?«, fragte Gerlof erstaunt.
»Ja. Ich will nur eben hören, wo sie ist. Sie hatte gesagt, dass
sie vielleicht …«
Er verstummte und presste das Telefon ans Ohr.
»Ich kenn mich mit den Dingern nicht aus«, flüsterte Astrid
Gerlof zu. »Wie kann man mit denen jemanden anrufen?«
»Ich habe keine Ahnung«, gestand Gerlof und fragte Lennart: »Und, ist sie rangegangen?«
Lennart ließ sein Handy sinken.
»Nur die Mailbox.« Er sah Gerlof ernst an und fügte hinzu:
»Man kann das Telefon natürlich auch einfach ausstellen,
wenn man nicht gestört werden will.«
»Dann hat Julia das bestimmt getan«, sagte Gerlof. »Sie
sitzt im Wagen und fährt gerade durch Småland.«
Lennart nickte bedächtig, schien aber nicht wirklich beruhigt zu sein.
»Entschuldigen Sie mich bitte«, sagte er. »Ich … ich muss los
und eine Sache überprüfen.«
Gerlof beobachtete ihn, als er eilig das Gemeindehaus verließ, und überlegte, ob Lennart Henriksson und seine Tochter sich nähergekommen waren, ohne dass er davon etwas bemerkt hatte – wenige Sekunden später hörte er das zaghafte
Klirren eines Löffels gegen eine Tasse. Ein Stuhl wurde scharrend zurückgeschoben,
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