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Öland

Öland

Titel: Öland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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lag der schmutzige Boden der Veranda,
     und sie sah, dass die Nacht vorbei war.
    Das Quietschen kam von der Verandatür, die aufgestoßen
     wurde.
    »Julia?«, rief eine Stimme über ihr.
    Zwei Hände hoben ihren Kopf an und legten ihr eine zusammengerollte Jacke in den Nacken.
    »Hörst du mich? Julia, wach auf!«
    Sie drehte ihr schmerzendes Gesicht zur Decke. Nur das
     linke Auge konnte etwas sehen – das rechte war zugeschwollen.
    Es war Lennarts ruhige Stimme, sie erkannte sie, noch
     bevor sie ihn sehen konnte. Er trug keine Uniform, sondern
     einen schwarzen Anzug und glänzende Schuhe.
    »Ich kann dich hören«, sagte sie.
    »Gut.« Er klang nicht ärgerlich, nur erschöpft.
    »Ich bin die Treppe runtergefallen«, erklärte sie mit schwacher Stimme und hob den Kopf. »Das war dumm von mir.«
    »Gerlof hat mir erzählt, dass du schon nach Hause gefahren bist«, sagte Lennart. »Aber ich habe mir gleich gedacht,
     dass du hier bist.«
    Julia lag auf der Veranda. So weit hatte sie in der Nacht
     kriechen können, nachdem sie auf dem Küchenboden aufgewacht war.
    Sie hatte nicht aufstehen können, es fühlte sich an, als
     würde ihr jemand einen brennenden Stab durch den rechten
     Fuß stoßen. Darum hatte sie sich mühsam über den Fußboden geschleppt, um aus der Küche zu kommen. In der Dunkelheit der Veranda war sie dann zusammengebrochen. Draußen pfiff der Wind, doch sie hatte keine Kraft mehr weiterzukriechen. Also blieb sie an der Tür liegen, gequält von der
     Angst, erneut Schritte aus dem Inneren des Hauses zu hören.
    »Dumm«, wiederholte Julia leise. »Dumm, dumm.«
    »Mach dir darüber jetzt keine Gedanken. Ich hätte gestern
     Abend kommen sollen, aber diese Sitzung …« Lennart verstummte, und sie spürte seine Hände unter ihren Achseln.
     Er versuchte, sie vorsichtig aufzuheben. »Kannst du stehen?«,
     fragte er.
    »Ich weiß nicht … Ich habe mir was gebrochen.«
    »Bist du sicher?«
    Julia nickte erschöpft.
    »Ich bin Krankenschwester.«
    Die Diagnose, die sie sich gestellt hatte, noch ehe sie aus
     der Küche kroch, lautete gebrochenes Handgelenk, gebrochenes Schlüsselbein und eventuell auch eine Fraktur im rechten Fuß.
    Der Fuß war eventuell nur verstaucht, das ließ sich so
     nicht sagen.
    Wie ihr Gesicht allerdings aussah, wusste sie nicht. Wahrscheinlich scheußlich.
    »Versuch mal aufzustehen«, sagte Lennart.
    Ihr gefiel, dass seine Stimme so ruhig blieb und weder ärgerlich noch gestresst klang.
    »Entschuldige bitte«, flüsterte sie mit belegter Stimme.
    »Was denn?«
    Lennart hob sie vorsichtig hoch.
    »Entschuldige bitte, dass ich ohne dich ins Haus gegangen
     bin.«
    »Mach dir darüber jetzt keine Gedanken«, wiederholte
     Lennart.
    Aber Julia wollte reden.
    »Ich habe Jens gesucht. Ich hatte vor ein paar Tagen Licht
     im Fenster gesehen, und ich dachte … Er wohnt hier.«
    »Wohnt hier? Wer denn?«
    »Nils …«, antwortete Julia. »Nils Kant, Veras Sohn. Oben im
     ersten Stock liegt ein Schlafsack, ich habe ihn gesehen. Und
     alte Zeitungsartikel.«
    »Kannst du gehen?«, fragte Lennart.
    »Er hat den Keller umgegraben. Aber ich weiß nicht, warum. Liegt Jens dort unten? Hat er ihn dort vergraben?«
    »Komm jetzt.«
    Lennart führte sie energisch zur Tür, die Treppe hinab. Das
     war nicht ganz einfach, da sie den rechten Fuß nicht belasten
     konnte, aber Lennart stützte sie.
    Als sie den Gartenweg entlanghumpelte, sah sie ein dunkelgrünes Auto, das vor dem Tor hielt.
    »Ist das dein Wagen, Lennart?«, fragte sie.
    »Ja.«
    »Hast du keinen Dienstwagen?«
    »Doch, aber das ist mein Auto. Ich komme von einer Beerdigung.«
    »Ach, stimmt.«
    Ernsts Beerdigung. Julia erinnerte sich wieder.
    Sie kam nur mit Mühe ins Auto, als wäre sie neunzig.
    »Lennart«, sagte sie, ehe er ihre Tür schloss. »Kannst du
     bitte noch einmal ins Haus gehen und nachsehen? Ich muss
     wissen, ob … ob ich das, was ich heute Nacht gesehen habe,
     wirklich gesehen habe. Im ersten Stock und im Keller.«
    Er sah sie kurz an, dann nickte er.
    »Du wartest hier?«
    Sie nickte.
    »Du, hast du eine Pistole?«
    »Pistole?«
    »Ja, wenn jemand, wenn da noch jemand im Haus ist. Ich
     glaube es zwar nicht, aber …«
    Lennart lachte kurz auf.
    »Ich habe keine Waffe bei mir, aber eine Taschenlampe«,
     sagte er. »Es besteht kein Grund zur Sorge, Julia, ich schaffe
     das schon. Ich bin gleich wieder da.«
    Dann schloss er ihre Tür und holte die Taschenlampe aus
     dem Kofferraum.

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