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Oelspur

Titel: Oelspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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habe, und ein Telefonat mitgeschnitten. Es war jedenfalls genug, um mich zu erpressen. Der Typ, der jetzt da drinnen im Rollstuhl sitzt, tauchte bei mir auf und präsentierte mir die Fotos von vor acht Jahren. Keine Ahnung, wieso er als Belgier Kontakte zum Hamburger Rotlichtmilieu hatte, aber er war bestens informiert.«.
    Ich musste daran denken, dass Morisaitte im Frankfurter Bahnhofsviertel aktiv gewesen war, und konnte mir durchaus ein paar Verbindungen vorstellen.
    »Er zeigte mir also Bilder von Ihnen und der kleinen Jonas und verlangte, dass ich Sie wegen der Bahnhofsklogeschichte unter Druck setzte. Um das Ganze offiziell abzurunden, tätigte er noch einen anonymen Anruf im Präsidium. Danach waren Sie auf einmal beide verschwunden. Zum Glück fiel mir wieder ein, dass Sie Ihre Eltern in Schweden besuchen wollten – und na ja, den Rest kennen Sie.«
    »Wenig später haben sie sich dann Anna geschnappt.«
    »Ja, denen lief die Zeit davon. Sie waren überzeugt davon, dass das Material von Helen Jonas inzwischen in Ihrem Besitz war, und wollten Sie zwingen, es herauszugeben. Und ab da lief dann alles aus dem Ruder. Sie haben den Typen übrigens ganz schön zugesetzt. Woher zum Teufel hatten Sie das Gewehr?«
    »Von meiner Mutter«, sagte ich und unterdrückte ein hysterisches Kichern.
    Geldorf sah mich ungläubig an und wartete, bis sich meine Nerven wieder beruhigt hatten.
    »Als sie das Material bei Ihnen nicht fanden, wussten sie nicht, was sie tun sollten, und riefen Morisaitte an. Ich war gerade bei ihm. Er wollte, dass seine Leute Sie und das Mädchen töteten und sofort von da verschwanden. Ich habe verzweifelt versucht, ihn davon abzubringen, und dann ist mir Ihr Politikerfreund eingefallen. Wenn ich in Ihrer Lage gewesen wäre, hätte ich das Material nicht bei mir haben wollen. Wo hätten Sie es sicher deponieren können? Wen kannten Sie in Hamburg? Es war ein Schuss ins Blaue. Morisaitte gab mir fünfundvierzig Minuten. Es war eine knappe Kiste.«
    »Sie meinen, ich muss Ihnen jetzt auch noch dankbar sein, oder was?«
    »Ihren Dank können Sie sich sonst wohin stecken«, sagte Geldorf mürrisch, »Hauptsache, Sie gebrauchen Ihren Verstand!«
    »Wofür?«
    Geldorf schwieg.
    »Also«, sagte er schließlich, »was glauben Sie denn, warum ich Ihnen das alles erzähle? Ich will die Sache vom Tisch haben, und zwar hier und jetzt! So, wie ich das sehe, haben wir ein Patt: Ich habe jede Menge Beweise, um Sie mit der Leiche im Bahnhofsklo in Verbindung zu bringen. Wenn ich will, kann ich Sie fertigmachen. Andererseits würden Sie bei den Vernehmungen wahrscheinlich allerlei Dinge zu Protokoll geben, die unter uns bleiben sollten. Nicht, dass Sie etwas beweisen könnten, machen Sie sich da nichts vor. Aber ich will in den vorzeitigen Ruhestand, und zwar mit einer sauberen Akte und vollen Bezügen. Die Firma in Brüssel hat, was sie wollte, und des Weiteren kein Interesse daran, was mit Morisaitte passiert ist. Ich nehme an, sie zahlen ihm diese Klinik hier, aber mehr auch nicht. Der Mörder von Frau Jonas sitzt eine verschärfte Form von ›lebenslänglich‹ ab, und für die anderen Leichen interessiert sich sowieso kein Schwein mehr. Also, lassen Sie die Sache auf sich beruhen, und fahren Sie zurück nach München. Genießen Sie den Sommer. Halten Sie Ihre Vorlesungen, und grüßen Sie die kleine Jonas von mir. Und kommen Sie mir nie wieder in die Quere!«
    Geldorf stand auf, schnappte sich seinen Mantel und stapfte ohne ein weiteres Wort davon. Ich sah ihm nach und versuchte, langsam ein- und auszuatmen. Es war tatsächlich vorbei. Ich hatte mein Leben zurück, aber ich war unfähig, irgendeine Art von Freude darüber zu empfinden. Ich fühlte mich leer und überflüssig. Gereinigt und blank gescheuert wie ein Bachkiesel und dann beiseitegelegt. Anna hatte versprochen, mich in München zu besuchen, sobald ich mich da wieder sehen lassen konnte. Vielleicht konnte ich sie überreden zu bleiben. Sie brauchte dringend jemanden, der ihr etwas Anständiges zu essen kaufte. Aber bis zum ersten August war noch Zeit, und auch von Villanis Geld war noch einiges übrig. Ich dachte an eine Frau mit meergrünen Augen und sehr schwarzem Haar, das wie Rabenfedern in der Sonne glänzte. Die Zeit war wirklich zu kurz gewesen, um Lettland kennenzulernen. Ich stand auf und schlurfte über den Kiesweg zurück zum Parkausgang. Die Nachmittagssonne brannte auf meinen immer noch ziemlich kurz geschorenen Schädel. Auf der

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