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Offene Geheimnisse und andere Enthuellungen

Titel: Offene Geheimnisse und andere Enthuellungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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Lust noch zeigen zu dürfen.
    Es gibt die gnädigen Lügen, wie die von der Frau, die mit ihrem schwer kranken Mann noch eine Weltumsegelung plant und ein Vermögen in die Ausrüstung steckt, obwohl sie weiß, dass der Mann demnächst sterben wird.
    Oder die von dem Mann, der Gott und die Welt in Bewegung setzt, um einen Hund aufzutreiben, der genau so aussieht wie der Hund seiner Frau, der vergiftet wurde, während sie im Krankenhaus lag.
    Manche Lügen zeugen von Größe; sie heben den Lügner über andere Menschen hinaus, machen ihn zum tragischen Helden. Wie die Frau, die weiß, dass ihr Mann betrunken einen Menschen totgefahren hat, und vor Gericht die Schuld auf sich nimmt. Oder der Schauspieler, der für den Mord an einem Bekannten lieber selbst ins Gefängnis geht, als seine inzwischen verstorbene Frau zu belasten, die in Wahrheit mit den Mördern unter einer Decke gesteckt hat.
    Und dann gibt es Lügen, die so unwahrscheinlich klingen, dass man sie kaum glauben kann. Wie die von dem Vertreter, der fünfzehn Jahre lang zwischen zwei Ehefrauen hin- und herpendelt, bis ihn ein Herzinfarkt ereilt (kein Wunder) und beide Witwen bei der Beerdigung feststellen müssen, dass sie mit ihrem Schmerz um den verblichenen Gatten keineswegs allein sind. Die beiden Damen haben den Fall, nachdem sie den ersten Schock überwunden hatten, übrigens pragmatisch gelöst: Sie sind mit ihren fünf Kindern zusammengezogen und haben das Erbe geteilt. Manchmal siegt eben die Liebe über die Lüge.

Mein Videorekorder und ich
    Acht Jahre lang war mein Videorekorder mein Videorekorder – jetzt sind wir geschiedene Leute. Acht Jahre lang habe ich versucht, ihn zu verstehen. Habe seine Gebrauchsanleitung studiert, habe mir kleine Merkzettelchen geschrieben, wann ich welchen Knopf drücken muss, damit er eine Sendung aufnimmt, wenn ich nicht zu Hause bin. Habe liebevoll seine Fernbedienung gestreichelt, ihm gut zugeredet. Es hat alles nichts geholfen.
    Ich habe ihn nie verstanden, und er hat nie getan, was er sollte. Hat stur den Gehorsam verweigert und mir das Gefühl gegeben, ich wäre zu doof, ihn richtig zu behandeln. Er hat mich glauben lassen, dass er, wenn ich technisch nur etwas begabter wäre, alles für mich aufgenommen hätte, was ich mir gewünscht habe. Dass es nur an mir gelegen hätte, dass nie was auf dem Band war.
    Wir waren einfach nicht füreinander geschaffen, mein Videorekorder und ich. Jetzt habe ich mich von ihm getrennt. Wahrscheinlich hat er mich sowieso die ganze Zeit zum Narren gehalten. Hat mir Schuldgefühle gemacht, dabei war er einfach nur zu kompliziert.
    Und ich habe mich acht Jahre lang für dumm verkaufen lassen. Typisch Frau. Immer den Fehler bei sich suchen. Damit ist jetzt Schluss.
    Vor einiger Zeit habe ich versprochen, meine Scheu vor der Technik zu überwinden. Zu lernen, meinen Rekorder zu programmieren, all die vielen Knöpfe und Tasten an all den elektronischen Geräten auswendig zu lernen, die mich umgeben. Ich habe dafür plädiert, die männlichen Vorurteile über weibliche Technikunfähigkeit nicht weiter zu untermauern, sondern der Welt zu beweisen, dass wir Frauen ebenso gut mit Handys, Digitalkameras, Computern und elektronisch gesteuerten Haushaltsgeräten umgehen können wie Männer.
    Hiermit erkläre ich meine Kapitulation. Ich bin der Fülle der Technik nicht mehr gewachsen, und ich behaupte, dass es nicht an mir liegt, sondern an der Technik.
    Sie macht mein Leben nicht, wie ich mal gedacht habe, leichter, sondern komplizierter. Die Zeit, die ich angeblich spare, wenn ich mich mit intelligenter Technik umgebe, geht locker bei dem Versuch drauf, diese Technik auch nur annähernd zu begreifen.
    Ich verbringe Stunden damit, irgendwelche Handbücher zu studieren, die mir in Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch und Koreanisch erklären, wie ich es schaffe, meinen neuen Herd dazu zu bringen, das Spaghettiwasser zu kochen. Bisher hat dafür das simple Drehen eines Schalters genügt, inzwischen empfiehlt sich ein Studium der Ingenieurswissenschaften.
    Oder nehmen wir das Geburtstagsgeschenk, das mein Mann mir in bester Absicht letztes Jahr gemacht hat, eine Digitalkamera, deren Vorteile er mir eindringlich pries: Schluss mit dem lästigen Filmeinlegen, endlich Sachen bei Ebay verkaufen, witzige Schnappschüsse in allen Lebenslagen – wie hatte ich bisher nur ohne Digi-Cam überlebt?
    Nach fast einem Jahr kenne ich die Antwort: bestens. Ich brauche überhaupt keine Digitalkamera.

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