Offene Geheimnisse und andere Enthuellungen
sehen, wie es um die Pink-Konzertkarten, die Designer-Handtasche und das CD-Regal steht, auf die ich geboten habe. Aber hallo, was ist denn das? »4 nette Girls mit Bierkasten.« Wie bitte? Die kann man ersteigern? Ist doch nicht zu fassen. Und was ist mit »4 nette Kerle mit Champagnerflasche«?
Die Suchanfrage ergibt nichts, aber sonst findet sich fast alles; von Gartenscheren über erotische Unterwäsche bis zu Gemälden und Motorrädern; einen Augenblick liebäugle ich mit einer silberfarbenen Ducati Emozione, bis mir einfällt, dass ich überhaupt nicht Motorrad fahren kann. Aber, wie wär’s mit einem Käfer-Cabrio von 1973, derzeitiges Gebot 2275 Euro? Ein Wahnsinn, mit einem simplen Mausclick mal eben ein Auto erwerben zu können! Vergessen ist meine Leidenschaft für Katalogbestellungen; seit ich Ebay kenne, gibt’s für mich nur noch eins: bieten, mehr bieten, überbieten!
Die Handtaschenauktion geht in die Endrunde, noch vier Minuten, jetzt heißt es, Nerven behalten. Noch bin ich die Höchstbietende, aber da, eine Minute vor Schluss, schnappt mir einer das Schnäppchen vor der Nase weg. Verdammt! Da hat wahrscheinlich jemand die verbotene »Sniper«-Software installiert, mit der man immer automatisch einem Euro über dem Höchstgebot liegt. Grrrr! HB-Männchen-Stimmung.
Die zwei Pink-Karten liegen inzwischen bei 151 Euro. Haben die Leute sie noch alle? Es sind schließlich nicht die Beatles! Bleibt das CD-Regal. Geht für einen Euro tatsächlich an mich. Leider Selbstabholung. Ich kalkuliere dreieinhalb Stunden Autofahrt bis zum Anbieter und zurück. Egal! Ebay bringt Leben in die Bude. Aufregung! Abenteuer! Adrenalin! Nach einer erfolgreichen Auktion fühle mich, als hätte ich die Bank im Casino gesprengt, auch wenn der antike Klavierhocker, den ich ersteigert habe, sich später als hölzerner Melkschemel entpuppt. Bei uns im Haus stapeln sich die ersteigerten Schnäppchen, die eigentlich keiner brauchen kann. Was tun mit dem Krempel? Na, klar: bei Ebay versteigern!
Nach erfolgreicher Auktionstätigkeit geht’s rüber zum Chat. »Nette Leute treffen« steht auf der Einladung, und aufgeregt betrete ich den Chatroom, wo sich sieben Männer und Frauen über Enttäuschungen in der Liebe unterhalten. Staunend folge ich der Diskussion und merke schnell, dass dieses Forum vermutlich dazu dient, die nächste Enttäuschung anzubahnen. Nach ein bisschen Smalltalk geht’s zur Sache, und die wird mir schnell zu heiß. Als ich ausloggen will, lädt mich »Bigchecker« ein, das Gespräch im Séparée fortzusetzen. Ich lehne dankend ab. Aber zu wissen, dass sich jemand interessiert gezeigt hat, verschafft mir doch ein angenehmes Prickeln. Heute Nacht träumt Bigchecker vielleicht von mir – einer langbeinigen, großbusigen, blondmähnigen Traumfrau … ach, schöne, neue Internet-Welt!
Schwitzflecken und Herzrasen
Manche sagen, es hört nie auf. Andere behaupten, im Alter würde es besser. Wieder andere, sie würden es überhaupt nicht kennen. Also, ich kenne es, es hat bisher nicht aufgehört, und mit dem Alter ist es nicht besser geworden.
Kaum weiß ich, dass ich vor mehr als zwei Personen etwas sagen soll, bekomme ich Schwitzehändchen und einen trockenen Mund. Ich tigere nervös durch die Gegend, kaue auf allem, was mir in die Quere kommt (Schokolade, Fingernägel, Notizpapier), und versuche verzweifelt, mich an all die Maßnahmen zu erinnern, die der Bekämpfung des leidigen Übels dienen sollen.
1) Tiiiiief durchatmen. 2) Hand aufs Sonnengeflecht (wo saß das noch mal?) und leicht massieren. 3) Sich die Gesprächspartner oder Zuhörer im Nachthemd vorstellen. 4) Sich selbst bei der Entgegennahme eines Preises für Rhetorik vorstellen. 5) Noch mal tiiiiief durchatmen.
Sie ahnen es, ich rede von Lampenfieber. LAMPENFIEBER!!!!!!
Die grauenhafte, lähmende Angst davor, dass man seinen Text vergisst, die Zuhörer einen auslachen, die Schwitzflecken unter den Armen unübersehbar sind, dass man beim Verlassen der Bühne über ein Kabel stolpert, kurz: dass man vor Aufregung sterben wird.
Fast jeder kennt Lampenfieber, kaum einer weiß, was wirklich dagegen hilft. Und wen es überfällt, der leidet daran ein Leben lang, auch wenn er tausend Mal erlebt hat, dass es gar keinen Grund dafür gibt. Man vergisst seinen Text nicht, keiner fängt an zu lachen, niemand bemerkt die Schwitzflecken, man stolpert nicht über ein Kabel und stellt schließlich überrascht fest, dass man lebend aus der Sache
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