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Oh, diese Verwandschaft!

Oh, diese Verwandschaft!

Titel: Oh, diese Verwandschaft! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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hinuntergeschlungen. Jetzt wurde plötzlich die Frage der Rangordnung akut, weil Onkel Joseph darauf bestand, den Platz an der Spitze des Tisches einzunehmen. »Als der Familienälteste«, erklärte er halblaut.
    Natürlich mußte Lester widersprechen. Der junge Mann lag in Dauerfehde mit seinem Onkel, die von seiner Seite mit Belustigung und Sarkasmus, von Onkel Josephs Seite hingegen mit bitterem Ernst und manchmal recht geräuschvoll geführt wurde. »Komm hierher, Derek«, rief Lester und kam der Absicht des alten Herrn geschickt zuvor. »Du bist der Herr im Haus, und wir alle müssen dementsprechend unsern Platz als deine Gäste einnehmen!«
    Unter grimmigem Knurren verzichtete Joseph auf den Stuhl, auf den er sich gerade hatte niederlassen wollen. Derek und Laura tauschten einen halb amüsierten und halb zweifelnden Blick. Die andern »Waisenkinder« jedoch, die sich in ihrer Abneigung gegen den alten Herrn einig waren, schoben ihn zur Seite, und Hugh erklärte lebhaft: »Das ist jetzt dein Haus, Derek. Komm her und nimm den dir zustehenden Platz ein.«
    »Aber«, begann der unglückliche Derek, doch Joseph schnitt ihm das Wort ab und sagte heftig: »Oh, nimm nur den Platz, nimm ihn, nimm alles! Ich bin hier ja bloß noch geduldet!« Das war hart für Laura und völlig ungerecht.
    Derek ärgerte sich. Mit Bedacht zog er Großmutters Stuhl an das Kopfende des Tisches und sagte zu seiner Frau, die mit einem höchst unpassenden Lachanfall kämpfte: »Komm her, mein Schatz! Wenn wir jetzt ganz förmlich sein wollen, dann ist das dein Platz.«
    Sie zögerte, zuckte die Achseln und dann mußte sie lachen. »Was für ein Getue! Als ob das wichtig wäre! Kommt alle her und laßt das Essen nicht kalt werden!«
    Alle lachten erheitert. Nur Onkel Joseph blieb ernst. Er lehnte den Platz zur Rechten von Laura, den sie ihm anbot, ab und setzte sich möglichst weit von ihr entfernt mit einem lauten Plumpser hin. Derek und seine Frau sahen sich seufzend an; sie hofften, das gute Essen würde dem Streit ein Ende machen.
    Aber Christine bekam einen ihrer Anfälle. Es begann damit, daß Guy ohne ihren geliebten Hund eintraf, einen mißlaunigen, alten Schäferhund, der durch sein Dasein als Schoßhund so frustriert war, daß er jeden anderen Hund anfiel, der ihm über den Weg lief.
    »Wie konntest du nur den armen lieben Toss daheim lassen? Die anderen haben alle ihre Lieblinge dabei!«
    Guy antwortete so geduldig, wie er es sich seit seiner Heirat angewöhnt hatte: »Ich konnte doch keinen Hund zu einer Trauerfeier mitbringen, Liebling! Außerdem weißt du selbst, daß er die beiden anderen beißt.«
    Christine murrte, daß Toss genausoviel Recht hätte, hier zu sein wie Tim. Das brachte natürlich Hugh in Zorn. Wütend schrie er: »Dein widerlicher Hund hat jetzt sein eigenes Zuhause!« Dieser Streit beherrschte den Rest der Mahlzeit.
    Guy hatte sich von der Brillantbrosche und dem Anhänger nicht so beeindrucken lassen, wie seine Frau erwartet hatte. Der arme Kerl, dachte Derek. Er ist so in sie verschossen und möchte lieber, daß sie nur den Schmuck trägt, den er ihr geschenkt hat. Natürlich hatte Guy gesagt: »Sehr hübsch. Schöne Steine.« Aber er hatte leider hinzugefügt: »Sehr nobel von Laura, sie dir zu schenken.«
    Laura warf ein: »Mit mir hat das nichts zu tun. Großmutter wollte, daß sich jeder heraussucht, was er gern haben möchte.« Aber die beiden Mädchen waren verlegen, und Lester lächelte peinlich berührt. Laura mied den Blick ihres Mannes; die »Waisenkinder« sind manchmal wirklich schwierig, ging es ihr durch den Kopf.
    Gottlob wurde die Mahlzeit nicht in die Länge gezogen. Sobald er den letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte, sagte Joseph Spencer in barschem Ton gute Nacht. Er machte keine Anstalten, auch nur seinen Teller in die Küche zu tragen, wie Eva bemerkte. Und noch weniger hielt er es für nötig, der Frau des Hauses für das vorzügliche Mahl zu danken.
    »Ehrlich, Laura, wie hältst du es nur mit ihm aus?« rief Christine. Anscheinend war ihr völlig unklar, daß man ihr selbst mitunter eine ganze Menge nachsehen mußte.
    Lester schien entschlossen, seine Schwestern zu ärgern. Er lachte und sagte: »Wie hält sie es nur mit uns allen aus! Na, ich befreie euch bald von meiner Gegenwart. Und die andern sollten es auch so machen. Laura ist ziemlich erschöpft.«
    Hugh war ganz seiner Meinung. »Natürlich ist sie das. Wir wollen schnell den Aufwasch machen und dann verschwinden. Leider

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