Oh Happy Dates
Amerika. Ich stelle mir vor, dass ich für diese Sendung ausgewählt werde. Ich stelle mir vor, jemanden kennenzulernen und mich zu verlieben. Ich stelle mir vor, einen männlichen Kumpel für Abenteuer und Sex und faule nackte Nachmittage im Bett zu haben, wo wir Wein trinken und amerikanische Fernsehserien schauen. Meine Wangen erröten. Dann stelle ich mir vor, von einem Mann vor der ganzen Nation zurückgewiesen zu werden, und ein Schauder geht durch meinen Körper.
3
Die polnischen Köche stehen kichernd zusammen in einer Ecke der Küche. Sie haben aus einer Karotte einen Phallus geschnitzt und diesen auf den Spieß für die Bestellungen gesteckt. Ich versuche ihn zu übersehen, bin aber beeindruckt. Er ist sehr realistisch. Soweit ich mich erinnern kann.
»Sehr kreativ«, murmele ich.
Ich versuche, mit meiner Bestellung das schlecht eingestellte Radio zu übertönen, wo Paul Simons »Fifty Ways to Leave Your Lover« läuft.
»Schinken gut durchgebraten, Tomaten, Vollkorntoast und weiches Rührei. Und wenn ich weiches Rührei sage, meine ich damit, dass es noch flüssig sein soll. Nicht die harten Hasenköttel, die ihr letzte Woche gemacht habt, oder das rohe Zeug, das er die Woche davor auf dem Teller hatte.«
Diese Bestellung versuche ich Woche für Woche für meinen Lieblingsgast richtig hinzukriegen. Und Woche für Woche starren wir ungläubig auf das ungenießbare Rührei, das wir bekommen. Ich weiß nicht, warum mein Lieblingsgast hierherkommt. Carluccio’s ein Stück weiter die Straße rauf ist viel ansprechender. Ich sollte es ihm sagen. Werde es aber nicht tun. Erfahrene Bedienungen wissen, dass die in freundlichem Gespräch mit Gästen verbrachte Zeit nur zu zwei Dingen führen kann:
1. Ärgerliche Anfragen wie etwa: »Kann ich ein Glas Leitungswasser bekommen?«, oder: »Können Sie den Koch fragen, ob in der Soße Knoblauch ist?« Diese Bitten machen es erforderlich, Gläser auf Tabletts zu stellen, mit dem Küchenpersonal zu reden und zu laufen – Aktivitäten, von denen eine erfahrene Kellnerin nicht begeistert ist.
2. Ständiges über vertrauliches Nachfragen wie etwa: »Was macht die Schauspielerei, Sarah?«, oder: »Haben Sie jetzt einen Freund, Sarah?«, oder: »Sarah, besteht irgendeine Chance, dass ich heute noch mein Essen bekomme?« Solche Fragen kann man nur mit einem geschrienen »Nein, nein! NEIN!« beantworten, und sie führen im Kopf zu gewaltsamen Szenen brutalen Besteckeinsatzes.
Das Kellnerinnen-Manifest besagt eindeutig, dass Kunden mit Verachtung gestraft, wenn nicht ganz ignoriert werden müssen. Ich habe bereits gefährlich dagegen verstoßen, indem ich Interesse für die Konsistenz der Eier meines Lieblingsgastes gezeigt habe. Deshalb werde ich Carluccio’s nicht empfehlen, und mein Lieblingsgast wird weiterhin mit dem wöchentlichen Risiko einer Salmonellenvergiftung leben müssen.
Ich arbeite seit nunmehr sieben Jahren in diesem kleinen Café in der Nähe von Hampstead Heath. Hätte mir damals jemand gesagt, dass ich jetzt immer noch dort sein werde, hätte ich ihnen mit meinem zweiundzwanzigjährigen, noch nicht von Cellulitis befallenen Hinterteil die Atemwege verstopft. Ich hätte geschrien: »Machen Sie sich nicht lächerlich, ich werde nur ein paar Monate hier sein, bis ich entdeckt werde. Bevor ich meinen dreißigsten Geburtstag feiere, werde ich einen Oscar auf meinem
Kaminsims stehen und Kiefer Sutherlands Baby in meinem Bauch haben.«
Es sollte keine Bedienungen geben, die knapp dreißig sind. Das ist nicht richtig. Das einzig Gute an meinem Job als Kellnerin ist, dass ich an Samstagen hier mit Julia zusammenarbeite. Julia habe ich kennengelernt, als ich vierzehn war. Wir lebten im selben Dorf, gingen aber auf verschiedene Schulen. Ich sah sie immer aus dem Bus steigen, wenn ich nach Hause lief. Aus der Ferne bewunderte ich ihr dunkles Augen-Make-up, das schon fast an Robert Smith von The Cure ranreichte. Wie sich herausstellte, waren unsere Väter Mitglieder desselben Golfklubs und hatten für uns einen Sommer lang ein paar Golfübungsstunden gebucht, und so lernten wir uns schließlich richtig kennen. Die Väter waren begeistert, dass wir so wild auf die sportliche Betätigung zu sein schienen, tatsächlich jedoch verbrachten wir den Großteil des Sommers unter der abgestorbenen Ulme hinter dem dritten Loch, tranken Crème de Menthe und versuchten zu rauchen. Jetzt arbeitet Julia für eine Produktionsfirma in Soho, die aber nicht viel zahlt, also
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