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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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vergeben?«
    Ich warf ihm einen Seitenblick zu; als er mich ansah, schien sein Blick mir sagen zu wollen, wie unendlich leid es ihm tat, sie lediglich um Vergebung bitten zu können. Aber ich spürte, dass seine Bitte, wenn auch vielleicht zu spät, aus tiefstem Herzen kommen würde.
    »Tja«, sagte ich. »Vielleicht haben Sie eine winzige Chance.«
    Trotz seines Zustands sah Clayton die Abzweigung zum See als Erster von uns beiden. Um ein Haar wäre ich daran vorbeigefahren. Wir wurden nach vorn in die Gurte gerissen, als ich abrupt auf die Bremse trat.
    »Geben Sie mir die Waffe«, sagte ich und streckte die rechte Hand aus.
    Dann erreichten wir den schmalen, steil bergauf führenden und von Bäumen gesäumten Weg, den ich schon einmal gefahren war – und schließlich gelangten wir auf das kleine Plateau, an dessen anderem Ende es senkrecht in die Tiefe ging. Rechts von uns befand sich der braune Impala, links Cynthias silberfarbener Toyota Corolla.
    Und zwischen den beiden Wagen stand Jeremy Sloan, als hätte er uns bereits erwartet. Er hielt irgendetwas in der rechten Hand.
    Als er die Hand hob, sah ich, dass es ein Revolver war. Ein geladener Revolver, wie sich zeigte, als im selben Moment unsere Windschutzscheibe zersplitterte.

ACHTUNDVIERZIG
    Ich ging in die Eisen, zog die Handbremse, löste den Sicherheitsgurt und sprang aus dem Wagen. Um Clayton kümmerte ich mich nicht weiter, dachte nur an Cynthia und Grace. Ich sah sie nirgends, doch schien es mir ein gutes Zeichen zu sein, dass Cyns Wagen noch nicht im Wasser gelandet war.
    Ich warf mich ins hohe Gras und feuerte blindlings in die Luft; Jeremy sollte wenigstens wissen, dass ich ebenfalls bewaffnet war. Ich blickte dorthin, wo Jeremy eben noch gestanden hatte, doch war er nicht mehr zu sehen. Panik stieg in mir auf, aber dann entdeckte ich ihn doch. Ängstlich duckte er sich hinter den einen Kotflügel des Impala.
    »Jeremy!«, rief ich.
    »Terry!«, drang im selben Augenblick Cynthias Stimme aus dem Toyota an meine Ohren.
    »Daddy!« Das war Grace.
    »Ich bin hier!«, rief ich.
    Dann hörte ich Enids schneidend scharfe Stimme aus dem Impala. »Töte ihn, Jeremy! Knall ihn ab!«
    »Hör mir zu, Jeremy«, rief ich. »Hat deine Mutter dir erzählt, was bei euch zu Hause in Youngstown passiert ist? Warum ihr so überstürzt aufbrechen musstet?«
    »Hör nicht auf ihn«, rief Enid. »Leg ihn um.«
    »Wovon reden Sie?«, gab er zurück.
    »Sie hat auf einen Mann namens Vince Fleming geschossen. In eurem Haus. Inzwischen ist er im Krankenhaus. Die Polizei weiß ebenfalls Bescheid. Ich nehme an, ihr wolltet die Sache so hindrehen, als hätte Cynthia Selbstmord begangen – stimmt’s?«
    Ich wartete auf eine Antwort. Als keine kam, fuhr ich fort: »Vergiss es, Jeremy. Euer toller Plan wird nicht funktionieren. Die Sache ist gelaufen!«
    »Was für ein Schwachsinn!«, ertönte Enids Stimme. »Erschieß ihn endlich. Tu, was deine Mutter sagt!«
    »Mom«, sagte Jeremy. »Ich … Ich habe noch nie jemand umgebracht.«
    »Schluss jetzt! Mit den beiden anderen hast du doch auch kein Problem!«
    »Aber da geht’s nur darum, den Wagen über die Klippe zu stoßen. Das ist was anderes.«
    Inzwischen hatte Clayton die Beifahrertür des Honda geöffnet. Als ich unter dem Wagen hindurchspähte, sah ich seine Schuhe, seine nackten Knöchel. Glassplitter fielen zu Boden, als er sich mühsam zu erheben versuchte.
    »Nein, Dad!«, rief Jeremy. »Steig wieder in den Wagen!«
    »Was?«, hörte ich Enids Stimme. »Er ist hier? O Gott!«, entfuhr es ihr. »Du verdammter alter Narr! Wer hat dich denn aus der Klinik entlassen?«
    Langsam schlurfte Clayton auf den Impala zu. Als er das Heck des Wagens erreicht hatte, stützte er sich erschöpft auf den Kofferraum. »Nein, Enid!«, stieß er mit letzter Kraft hervor. »Das kannst du nicht tun!«
    Plötzlich ertönte Cynthias Stimme. »Dad?«
    »Hallo, Liebes«, sagte er. Er versuchte zu lächeln. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid mir das alles tut.«
    »Dad?«, wiederholte sie ungläubig. Ich konnte sie nicht sehen, mir aber lebhaft ihren Gesichtsausdruck vorstellen.
    Irgendwie war es Jeremy und Enid gelungen, Cynthia und Grace zu überwältigen und hierherzubringen, aber anscheinend hatten sie keine besondere Eile gehabt.
    »Hör zu, mein Junge«, sagte Clayton zu Jeremy. »Sei vernünftig. Deine Mutter hätte dich niemals dazu anstiften dürfen. Sieh dir die beiden doch nur an.« Er deutete auf das Auto, in dem Cynthia

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