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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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Drivein-Schalter, sprang aus dem Wagen und lief hinüber. Ein Kunde wollte gerade das Geld aus dem Autofenster herüberreichen, aber ich drängelte mich einfach vor.
    »He, Mister, so geht das aber nicht!«, sagte der Mann hinter dem Schalter.
    »Ist hier während der letzten Stunde eine Frau in einem Toyota durchgekommen?«, fiel ich ihm ins Wort. »Sie hat ein kleines Mädchen bei sich.«
    »Wollen Sie mich verarschen?« Er versuchte, eine Tüte an mir vorbeizureichen. »Haben Sie ’ne Ahnung, wie viele Leute hier durchkommen?«
    »Darf ich?«, sagte der Autofahrer hinter mir und griff sich die Tüte. Als er losfuhr, streifte der Außenspiegel meinen Rücken.
    »Ich suche noch zwei andere Leute«, sagte ich. »Einen Mann um die vierzig und eine ältere Frau. Sie fahren einen braunen Impala.«
    »Sehen Sie nicht, dass Sie hier den ganzen Betrieb aufhalten?«
    »Die Frau ist behindert. Ist Ihnen vielleicht ein zusammengeklappter Rollstuhl aufgefallen?«
    Er kniff die Augen zusammen. »Jetzt, wo Sie’s sagen«, gab er zurück. »Ja, aber das ist schon ’ne gute Stunde her. An den Rollstuhl kann ich mich erinnern. Ein Wagen mit leicht getönten Scheiben. Ich glaube, die beiden haben Kaffee bestellt. Die haben dort drüben geparkt.« Er wies zum Parkplatz hinüber.
    »War es ein Chevrolet Impala?«
    »Keine Ahnung. Mann, Sie stehen im Weg.«
    Ich lief zum Wagen und stieg wieder ein. »Sieht so aus, als wären Jeremy und Enid hier gewesen«, sagte ich. »Offenbar haben sie gewartet.«
    »Und jetzt sind sie wieder weg«, sagte Clayton.
    Ich packte das Steuer mit beiden Händen, ließ es wieder los und schlug mit der Faust dagegen. Plötzlich hatte ich bohrende Kopfschmerzen.
    Clayton sah mich an. »Sie wissen, wo wir sind, oder?«
    »Was?«
    »Haben Sie die Abzweigung nicht bemerkt?«, fragte er. »Nur ein paar Meilen von hier. Ich habe die Straße sofort wiedererkannt.«
    Im selben Moment fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ja, natürlich. Die Straße, die zu dem See führte, in dem die Leichen von Patricia und Todd gefunden worden waren.
    »Das ist typisch Enid«, sagte Clayton. »Sie will, dass Cynthia dort landet, wo sie ihrer Meinung nach sowiesoall die Jahre hingehörte. Und diesmal ist es ihr womöglich völlig egal, ob der Wagen und die Ermordeten sofort gefunden werden. Viele Leute werden schlicht davon ausgehen, dass Cynthia depressiv war, sich irgendwie für den Tod ihrer Mutter und ihres Bruders verantwortlich fühlte. Und deshalb keinen Ausweg mehr sah.«
    »Aber das ist doch krank«, sagte ich. »Jetzt funktioniert dieser Plan doch nicht mehr. Dafür wissen inzwischen zu viele davon. Wir. Vince. Das ist nackter Irrsinn.«
    »Tja«, sagte Clayton. »So ist Enid eben.«
    Um ein Haar hätte ich einen VW Käfer gerammt, als ich mit quietschenden Reifen vom Parkplatz des McDonald’s setzte und mit Vollgas in die Richtung fuhr, aus der wir gekommen waren.

    Ich raste mit neunzig Sachen über die Landstraße, und als wir die Serpentinenstrecke nördlich von Otis erreichten, musste ich mehrmals hart auf die Bremse steigen, um nicht die Kontrolle über den Wagen zu verlieren. Beinahe hätte ich einen Hirsch auf die Motorhaube genommen, der vor uns die Straße überquerte, und in letzter Sekunde konnten wir einem Traktor ausweichen, der aus einem Feldweg kam.
    Clayton zuckte nicht mal mit der Wimper.
    Fest umklammerte er den Türgriff, bat mich aber nicht ein einziges Mal, langsamer zu fahren. Ihm war ebenso klar wie mir, dass wir womöglich zu spät kommen würden.
    Ich weiß nicht mehr genau, wie lange es dauerte, bis wir endlich die Straße erreicht hatten, die hinter Otis ostwärts führte. Vielleicht eine halbe Stunde, aber es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Meine Gedanken kreisten nur noch um Cynthia und Grace, und vor meinem inneren Auge sah ich wieder und wieder Cynthias Toyota, der von der felsigen Anhöhe in den Abgrund stürzte.
    »Das Handschuhfach«, sagte ich.
    Clayton beugte sich vor, öffnete es und förderte die Pistole zutage, die ich aus Vince’ Auto mitgenommen hatte. Nachdenklich betrachtete er die Waffe.
    »Nur für den Notfall«, sagte ich. Clayton nickte, bekam aber plötzlich einen Hustenanfall; es war ein tiefes, heiseres Bellen, das direkt aus seinen Lungen zu kommen schien.
    »Ich hoffe, ich halte durch«, sagte er. Erneut schüttelte ihn ein Hustenanfall. »Wenn wir es noch rechtzeitig schaffen … Was glauben Sie, was Cynthia sagen wird?« Er hielt inne. »Wird sie mir

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