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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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Grace.
    »Na klar«, sagte ich. »Ist sie doch oft.« Grace warf mir einen zweifelnden Blick zu. »Deine Mom hat es momentan nicht ganz leicht. Vor fünfundzwanzig Jahren ist etwas sehr Trauriges geschehen und ihr ist nicht gerade zum Jubeln zumute. Sie war damals nur ein paar Jahre älter als du.«
    »Ich weiß«, sagte sie. »Warum darf ich die Sendung eigentlich nicht sehen? Ihr habt sie doch aufgenommen, oder?«
    »Ja, schon«, sagte ich. »Aber deine Mom will nicht, dass du Angst bekommst.«
    »Eine meiner Freundinnen hat ein Video davon«, sagte Grace. Sie senkte die Stimme. »Ich hab’s schon gesehen.«
    »Wann?« fragte ich. Cynthia ließ Grace so gut wie nie aus den Augen. Hatte Grace etwa ein Video nachHause geschmuggelt und es heimlich geguckt, während wir oben im Arbeitszimmer gewesen waren?
    »Als ich nachmittags bei ihr war«, sagte Grace.
    Acht Jahre war sie erst alt und schon hatte man nicht mehr den Daumen drauf. In fünf Jahren würde sie ein Teenager sein. O Gott.
    »Das war nicht okay«, sagte ich. »Das hättet ihr euch nicht ansehen dürfen.«
    »Der Polizist war echt gemein«, sagte sie.
    »Welcher Polizist?«
    »Der in dem Interview gesagt hat, es wäre doch komisch, dass alle verschwunden wären, nur Mom nicht. Ich habe sofort kapiert, was er sagen wollte. Dass Mom sie umgebracht hat.«
    »Tja. Was für ein Arschloch.«
    Abrupt wandte Grace den Kopf ab. »Dad!«
    »Halb so wild«, sagte ich. »Manchmal muss man die Dinge eben beim Namen nennen.«
    »Hat Mom ihren Bruder geliebt? Todd?«
    »Ja, natürlich. Klar, manchmal hat sie sich auch mit ihm gezankt, aber das ist ganz normal unter Geschwistern. Sie hat weder ihn noch ihre Eltern umgebracht. Ich wünschte, du hättest nicht mitbekommen, wie dieses Arschloch von Detective deine Mutter vor laufender Kamera verleumdet hat. Jawohl, Arschloch.« Ich machte eine Pause. »Und? Willst du Mom erzählen, dass du die Sendung gesehen hast?«
    Grace, immer noch etwas perplex über meine Wortwahl, schüttelte den Kopf. »Nee, dann flippt sie bestimmt aus.«
    Womit sie wohl recht hatte, aber ich wollte Cynthianicht in den Rücken fallen. »Erzähl’s ihr einfach, wenn sie guter Dinge ist.«
    »Heute können wir jedenfalls guter Dinge sein«, sagte Grace. »Ich habe keine Asteroiden entdeckt.«
    »Gut zu wissen.«
    »Ich glaube, du kannst jetzt umdrehen«, sagte Grace. Nicht weit von uns entfernt erspähte ich ein paar Kids ihres Alters, vielleicht sogar Freundinnen von ihr.
    »Aber wir unterhalten uns doch gerade so nett.«
    Aus den Seitenstraßen strömten weitere Kinder. Die Schule war bereits in Sichtweite, nur noch drei Blocks entfernt.
    »Wir sind doch schon fast da«, sagte Grace. »Von hier siehst du mich ja sowieso.«
    »Na gut«, sagte ich. »Also, wir machen es folgendermaßen: Du gehst einfach weiter und ich mache einen auf alter Mann. So wie Tim Conway.«
    »Wer?«
    Ich begann zu schlurfen und Grace kicherte. »Ciao, Dad«, sagte sie und beschleunigte ihre Schritte. Ich behielt sie im Auge, während ich schwerfällig einen Fuß vor den anderen setzte und von anderen Kids auf Fahrrädern, Skateboards und Inlineskates überholt wurde.
    Grace blickte nicht zurück. Sie lief los, um zu ihren Freundinnen aufzuschließen, und rief: »He, wartet!« Ich steckte die Hände in die Taschen und erfreute mich an dem Gedanken, ein paar zweisame Minuten mit Cynthia zu verbringen.
    Im selben Moment fuhr der braune Wagen an mir vorbei.
    Es war ein schon etwas älterer Wagen amerikanischerBauart, eine Allerweltskarosse – ein leicht angerosteter Chevrolet Impala, wenn ich mich nicht irrte. Die Karre hatte tatsächlich getönte Scheiben, aber die waren ziemlich verpfuscht; das Glas war von Luftblasen durchsetzt, als sei das Fahrzeug an Masern erkrankt.
    Ich blieb stehen und sah dem Wagen hinterher. Er fuhr die Straße hinunter, schnurgerade auf die letzte Straßenecke vor der Schule zu, wo Grace stehen geblieben war und sich mit zwei Freundinnen unterhielt.
    Der Wagen hielt genau an der Ecke, nur ein paar Armlängen von Grace entfernt. Ich glaubte, mein Herz müsse jeden Augenblick stehen bleiben.
    Dann ging der Blinker an; der braune Wagen bog nach rechts ab und verschwand um die Ecke.
    Ein Schülerlotse in einer orangefarbenen Weste half Grace und ihren Freundinnen mit einer großen Kelle über die Straße. Dann waren sie auch schon auf dem Schulgelände. Zu meinem Erstaunen wandte Grace sich um und winkte mir zu. Ich winkte zurück.
    Okay, also gab es

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