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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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tatsächlich einen braunen Wagen. Tatsache war allerdings auch, dass niemand herausgesprungen war und versucht hatte, unsere Tochter zu entführen, weder sie noch irgendein anderes Kind. Falls es sich bei dem Fahrer um einen verrückten Serienkiller handelte – als ob es normale Serienkiller gäbe –, dann war er an diesem Morgen jedenfalls nicht zum Morden aufgelegt.
    Es war wohl einfach jemand auf dem Weg zur Arbeit.
    Ich blieb noch einen Moment länger stehen und verspürte einen Anflug von Traurigkeit, während Grace in einem Pulk von Mitschülern verschwand. Cynthia lebtein einer Welt, in der jeder eine potenzielle Bedrohung für ihre Familie darstellte.
    Und wäre ich nicht ein bisschen deprimiert gewesen, wäre ich vielleicht etwas beschwingteren Schrittes zurückgegangen. Als unser Haus in Sicht kam, versuchte ich die trüben Gedanken zu verscheuchen und mich wieder in bessere Stimmung zu versetzen. Schließlich wartete meine Frau auf mich, aller Wahrscheinlichkeit nach sogar im Schlafzimmer.
    Ich joggte den Rest des letzten Blocks entlang, marschierte die Einfahrt hinauf, öffnete die Haustür und rief: »Bin zurück!«
    Keine Antwort.
    Was ich so deutete, dass Cynthia bereits oben auf mich wartete. Doch als ich die erste Treppenstufe betrat, hörte ich ihre Stimme aus der Küche.
    »Ich bin hier«, sagte sie. Ihre Stimme klang seltsam bedrückt.
    Ich trat in den Türrahmen. Sie saß am Küchentisch, das Telefon vor sich. Sie war leichenblass.
    »Was ist denn los?«, fragte ich.
    »Es hat jemand angerufen«, sagte sie leise.
    »Wer?«
    »Seinen Namen hat er nicht genannt.«
    »Und was wollte dieser Jemand?«
    »Er hat nur gesagt, er hätte eine Nachricht.«
    »Und die wäre?«
    »Er hat gesagt, sie würden mir verzeihen.«
    »Ich verstehe kein Wort.«
    »Meine Familie. Sie würden mir verzeihen, was ich ihnen angetan hätte.«

SIEBEN
    Ich setzte mich zu Cynthia an den Küchentisch. Als ich meine Hand auf ihre legte, spürte ich, dass sie zitterte.
    »Ganz ruhig«, sagte ich. »Versuch dich genau zu erinnern, was er gesagt hat.«
    »Hab ich doch schon gesagt.« Ihre Stimme drohte zu versagen. Sie biss sich in die Oberlippe. »Moment.« Sie riss sich merklich zusammen. »Das Telefon klingelte, und als ich drangegangen bin, sagte eine Männerstimmer: ›Hallo, ist da Cynthia Bigge?‹ Ich war völlig perplex, weil mich schon seit Ewigkeiten niemand mehr mit meinem Mädchennamen angeredet hat, habe aber ja gesagt. Und dann sagte er: ›Deine Familie, sie hat dir verziehen.‹« Sie schluckte. »›Sie haben dir verziehen, was du ihnen angetan hast.‹«
    »Und dann?«
    »Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich glaube, ich habe gefragt, mit wem ich spreche, aber ich weiß es nicht mehr genau.«
    »Hat er darauf irgendetwas gesagt?«
    »Nein. Er hat einfach aufgelegt.« Eine einzelne Träne lief über ihre Wange, als sie mich ansah. »Warum hat er das getan? Und was hat er damit gemeint, sie würden mir verzeihen?«
    »Keine Ahnung«, sagte ich. »Wahrscheinlich war esein Irrer. Irgendein Durchgeknallter, der dich im Fernsehen gesehen hat.«
    »Aber wie kommt jemand darauf, so etwas zu tun? Das macht doch keinen Sinn.«
    Ich zog das Telefon zu mir heran – ein modernes Gerät mit kleinem Display, auf dem man Namen und Nummer von Anrufern ablesen kann.
    »Wieso sagt er, meine Familie würde mir verzeihen? Was soll ich denn überhaupt getan haben? Ich verstehe das alles nicht, Terry.«
    »Ich auch nicht.« Ich richtete den Blick auf das Telefon. »Hast du gesehen, woher der Anruf kam?«
    »Nein, aber ich habe versucht, die Nummer über die Protokollfunktion abzufragen, nachdem er aufgelegt hatte.«
    Ich drückte einen Knopf und rief die Liste mit den eingegangenen Anrufen auf. Aber in der letzten Viertelstunde war kein Anruf protokolliert worden.
    »Ich finde nichts«, sagte ich.
    Cynthia schniefte, wischte sich die Träne von der Wange und beugte sich zu mir. »Ich glaube, ich … Als ich die Nummer nachsehen wollte, habe ich auf genau den Knopf gedrückt. Den da.«
    »So löscht man die gelisteten Anrufe«, sagte ich.
    »Was?«
    »Du hast das Anrufprotokoll gelöscht.«
    »O nein«, sagte Cynthia. »Ich war so durcheinander. Das wollte ich nicht.«
    »Mach dir keine Gedanken«, sagte ich. »Wie klang die Stimme?«
    Aber Cynthia hörte mir gar nicht zu. Mit leeremGesichtsausdruck starrte sie mich an. »Wie konnte ich das bloß tun? Aber auf dem Display war sowieso keine Nummer. Da stand einfach nur

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