Olafur Davidsson 02 - Herbstwald
Nachtwächterin gesprochen, aber sie hat nichts bemerkt. Das Tor ist kameraüberwacht, was den Täter vermutlich davor abgeschreckt hätte, die Fuggerei durch diesen Ausgang zu verlassen. Er konnte ja nicht wissen, dass die Nachtwächterin an diesem Abend lieber einen Krimi im Fernsehen sieht, als auf die Überwachungsbilder zu achten. Außerdem war es in dieser Nacht wohl außergewöhnlich ruhig. Kaum jemand wollte rein oder raus. Auch das konnte der Täter jedoch nicht im Voraus wissen.«
»Das Ganze macht beinahe nur Sinn, wenn der Täter selbst in der Fuggerei wohnt. Dann wäre auch die Frage geklärt, wie er die Tür öffnen konnte, ohne dabei Einbruchspuren zu hinterlassen.«
»Gegen diese Theorie spricht allerdings das Kokain«, sagte der Gerichtsmediziner, den Landhäuser daraufhin ansah, als wollte sie ihn fragen, was ihm einfiele, sich in die polizeiliche Arbeit einzumischen. Sie sagte jedoch nichts.
»Das ist ein wichtiger Punkt. Was kam eigentlich bei dem Gespräch mit dem Werkschutz dieser anderen Firma beim Kraftwerk heraus?«
Davídsson sah Landhäuser an, die sich wieder in ihre Notizen vertieft hatte.
»Sie meinen die Firma UPM?«
»Ja.«
»Das Gelände ist gut gesichert. Unbefugte haben keinen Zutritt auf das Firmengelände und es gibt Kopien von den Ein- und Auslassbüchern, und die Berichte des Werkschutzes habe ich mir auch geben lassen.«
»Und?«
»Ich habe alles durchgesehen, aber nichts gefunden.«
»Wir sind doch über eine Brücke gefahren, bevor wir durch das Tor C auf das MAN-Gelände gelangt sind …«
»Über den Lech«, sagte der Kriminalkommissar.
»Könnte der Hund nicht zum Beispiel auch von dieser Brücke ins Wasser geworfen worden sein?«
»Es gibt einen Besucherparkplatz direkt am Tor A, der über den Stadtbach gebaut ist, und der führt wenig später zum Wasserkraftwerk. Da ist nur eine Mauer, die nicht besonders hoch ist, und ein paar Bäume, die die Sicht versperren. Abends oder nachts ist da wahrscheinlich aber sowieso nicht viel los.«
Davídsson sah Dr. Schubert an, der mit den Schultern zuckte.
»Ja klar, das ist auch eine Möglichkeit. Bei dem Tier waren so ziemlich alle Knochen gebrochen, die man sich vorstellen kann. Das kann auf dem Weg dorthin passiert sein oder auch in so einem Schwimmbalken oder eben in dem Rechen am Wasserkraftwerk. Genau kann man das jetzt nicht mehr feststellen, ohne dass es den Rahmen sprengen würde.«
»Für mich stellt sich das jetzt so dar … Wie viele Ausgänge gibt es eigentlich in der Fuggerei?«, fragte Davídsson, einer plötzlichen Idee folgend.
»Neben dem Haupteingang in der Jakoberstraße gibt es noch zwei Tore am Jakobsplatz. Das eine führt in die Saugasse und das andere in die Finstere Gasse, und natürlich gibt es noch das Ochsentor«, antwortete Landhäuser, die schnell in ihren Notizen nachgesehen hatte.
Vielleicht ist es doch nicht so schlecht, sich Dinge aufzuschreiben, dachte Ólafur Davídsson, der seine Akte im Hotelzimmer vergessen hatte.
»Und dann gibt es noch eine Tür in der Gartengasse, von wo aus die Bewohner, die dafür allerdings einen Schlüssel benötigen, schneller in die Stadt kommen. Damit haben wir dann insgesamt fünf Ausgänge.«
»Unter unserem Besprechungsraum im Administrationsgebäude gibt es auch noch ein Tor, soweit ich mich erinnere«, sagte Hofbauer.
»Ja, also sind wir insgesamt bei sechs Ausgängen, die wir überprüfen müssten. Bis auf den Haupteingang, das Ochsentor und die Tür in der Gartengasse sind alle Tore permanent verschlossen, aber der Mörder könnte sich an einem dieser Ausgänge zu schaffen gemacht haben, ohne dass wir es bisher bemerkt hätten. Soweit ich das verstanden habe, werden die dauerhaft geschlossenen Tore nicht regelmäßig von irgendjemandem überprüft, sodass die Möglichkeit besteht, dass es bisher noch niemandem aufgefallen ist, dass etwas nicht stimmt.«
Davídssons Beine begannen langsam vom langen Stehen zu schmerzen. Er setzte sich auf die Schreibtischkante und streckte die Beine kurz aus.
»Ich stelle mir das so vor: Der Täter lässt sich um 22:00 Uhr von der Nachtwächterin in der Fuggerei einschließen. Das ist nicht weiter schwer. Es gibt genügend Möglichkeiten, sich dort zu verstecken. Er bringt Catharina Aigner dazu – wie, wissen wir leider noch nicht – die Wohnungstür zu öffnen. Es gibt deshalb keine Einbruchspuren in ihrer Wohnung. Bevor er sie anschließend umbringt, stellt er den Hund ruhig, um nicht bei dem gestört
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