Olafur Davidsson 02 - Herbstwald
Kitschfiguren im Vitrinenschrank, die keiner besonderen Erwähnung bedurften.
»Das ist eine Maneki Neko oder ins Deutsche übersetzt eine winkende Katze. Eigentlich werden die Porzellanfigürchen eher in Restaurants oder Geschäften aufgestellt, aber manche stellen sie sich auch zu Hause hin. Die winkende Tatze soll den Wohlstand anlocken. Das hier ist aber eine schwarze Maneki Neko, und die hat die Aufgabe, als Talisman gegen das Böse zu schützen.«
»Und wo bekommt man diese Glücksbringer?«
»Also, die Maneki Neko bekommt man hier vor allem in den Asia-Supermärkten. Der Daruma ist vermutlich direkt aus Japan. Vielleicht ein Urlaubsmitbringsel oder so was. Ich habe ihn jedenfalls hier noch nicht gesehen. Es gibt übrigens noch weitere traditionelle Glücksbringer, wie Ebisu, Daikoku, Fuku Suke, Otafuku oder Tanuki. Aber die Maneki Neko ist der beliebteste japanische Glücksbringer und vermutlich auch der einzige, den man hier kaufen kann.«
»Und diese anderen Glücksbringer? Wogegen schützen die?« Davídsson hielt nichts von Talisman, weshalb er sich noch nie mit dem Aberglauben, der damit verbunden ist, beschäftigt hatte. Er glaubte nicht einmal an Sternzeichen oder irgendwelche Horoskope.
»Das ist sehr speziell. Der Daikoku ist zum Beispiel ein wohlbeleibter, stets lachender Mann mit dicken Ohrläppchen, der vor allem eine reiche Ernte verspricht. Ebisu bringt Glück in der Fischerei und so weiter.«
Der Kameramann hatte mittlerweile alle Vorbereitungen abgeschlossen und lehnte sich nun gegen das Balkongeländer und rauchte. Er schien kein Problem damit zu haben, dass es wenige Zentimeter neben ihm in die Tiefe ging und das Geländer gerade einmal bis über die Hüfte reichte.
»Danke. Sie haben mir sehr geholfen«, sagte Davídsson schließlich. »Können Sie sich die Figuren hier vielleicht einmal ansehen? Mich würde interessieren, ob sie echt sind.«
»Das wird vermutlich schwierig. Wir fahren heute Abend nach Frankfurt, und morgen früh fliege ich dann nach Hause. Aber es gibt in Deutschland mehrere Japanische Institute, die Ihnen weiterhelfen könnten. Ich glaube, in München ist von hier aus das nächste und in Frankfurt gibt es auf jeden Fall eins. Da habe ich nämlich mal drei Wochen lang als Praktikantin gearbeitet und die ganzen Texte für die Homepage geschrieben. Richten Sie einfach ein Gruß von mir aus und die ehemaligen Kollegen werden Ihnen besonders behilflich sein.« Der Kameramann warf die Kippe über die Balkonbrüstung und klopfte dann gegen die Scheibe. »Sie haben ja meine Karte.«
»Ja.« Davídsson stellte sich hinter das Fenster und beobachtete die Frau, wie sie lächelnd vor die Kamera trat – im Hintergrund ein abendlich beleuchtetes Stadtpanorama, das den Japanern einen schönen Eindruck von Deutschland vermitteln würde.
Er dachte an die japanische Weide im Garten von Catharina Aigner und an ihren Hund, einen Japan Chin namens Pocchi.
14
D er Himmel über dem Perlacher Forst war der einer billigen Studioaufnahme aus den 50er-Jahre n. Die wenigen Wolken blieben bewegungslos an derselben Stelle kleben und das fahle Licht ließ sie wie die Zeichnung einer übergroßen Kulisse erscheinen.
Hofbauer hatte die Einsatzbesprechung in ein dreistöckiges Backsteingebäude auf dem Gelände des Landeskriminalamtes verlegt.
Dort hatte es keine Klimaanlage gegeben, die die schwüle Luft von der Feuchtigkeit befreit hätte. Also hatten sie alle Fenster im Besprechungsraum geöffnet und den Kindergärtnerinnen auf dem darunterliegenden Spielplatz zugehört, wie sie den Kleinen die bunten Blätter des Herbstes mit durchdringender Stimme näherzubringen versuchten, bis es begonnen hatte, zu regnen.
Bis dahin hatte kaum jemand in dem Raum verstanden, was Hofbauer anhand der Friedhofsskizze, die er mit einem Beamer an die Wand geworfen hatte, erklärte.
Davídsson hatte sich von Hofbauer eine Kurzzusammenfassung auf dem Weg zum Friedhof geben lassen, und dabei hatte sich herausgestellt, dass er in der Trauerhalle eingesetzt werden sollte.
Jetzt stand er allein in einem langen, schlichten Korridor und versuchte, die Erinnerungen an den Tod seiner Eltern aus dem Kopf zu halten. Er ahnte, dass dieser Ort dazu verleitete, über das Ende des Lebens nachzudenken, sich tiefsinnige Gedanken zu machen und schwermütig zu werden, ohne dass es einen persönlichen Bezug zu den Menschen gab, die hier hinter schwarzen Vorhängen in aufgebahrten Särgen lagen.
Nachdem die ersten zehn
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