Olafur Davidsson 02 - Herbstwald
dieses Foto gefunden?«
Die Frage überraschte Ólafur Davídsson.
»In ihrer neuen Wohnung.«
»Das war ihre beste Freundin aus ihrem ›alten‹ Leben.«
Davídsson spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte.
»Haben Sie einen Namen für mich?«
»Kuraiko Ōno.« Er lachte kurz und bitter auf. »Kuraiko heißt übersetzt ›Kind der Dunkelheit‹. Ich habe sie immer gemocht. Sie hat die Liebe zu Japan in meiner Tochter geweckt und war fleißig und zielstrebig. Alles Eigenschaften, die mein Sohn leider nicht hat. Ich war froh, dass wenigstens Lea eine gute Freundin gefunden hatte.«
Sie hatten sich zu einer kurzen Besprechung in der Hotellobby verabredet. Davídsson dachte an die unangenehmen Erinnerungen, die er mit diesem Ort verband und mit Lilian Landhäusers Vorstoß, ihn zu duzen.
Jetzt war die Bar verwaist und sie hatten sich zu dritt an einen der runden Tische gesetzt, an denen es kaum Platz gab, irgendwelche Sachen abzulegen. Lilian Landhäuser musste ihren Collegeblock auf ihre Beine legen und tat sich schwer mit dem Umblättern.
»Die Deutsche Botschaft aus Japan hat uns nun endlich die vollständigen Visadaten liefern können. Ich habe hier Kopien«, sagte sie, nachdem Davídsson kurz von dem Foto und seinem Besuch beim bayerischen Innenminister berichtet hatte.
»Interessanterweise hat Tsubasa Ito bei seinem Antrag auf ein Geschäftsvisum angegeben, dass er für die International Bank of Kōbe in Frankfurt arbeiten würde und deshalb nach Deutschland einreisen wollte.«
»Wurde das überprüft?«
»Er hat ein Einladungsschreiben vorgelegt, das echt zu sein scheint.«
»Welcher von den beiden Besuchern in der JVA Weiterstadt ist das?«, fragte jetzt Schedl, der sich als Einziger einen Kaffee an der Rezeption bestellt hatte.
»Ich habe mit dem Justizvollzugsbeamten gesprochen, der beim Besuch von Tsubasa Ito anwesend war. Wie gesagt, sie haben über nichts gesprochen, was man als Mordauftrag an unserem Opfer verstehen könnte. Es ging wohl um Bankgeschäfte. In dem Einladungsschreiben steht, dass dieser Ito die Bank abwickeln soll.«
»Bleibt also erst mal nur der Japaner mit dem Touristenvisum übrig.«
Schedls Kaffee wurde wortlos auf den Tisch gestellt.
»Susumu Tanaka.«
»Mit dem Beamten, der bei diesem Besuch anwesend war, sprechen wir hoffentlich heute Nachmittag. Vom Urlaub in der Sonne in den Knast. Das ist ziemlich heftig.«
»Wird die International Bank of Kōbe noch von unseren Kollegen in Frankfurt überwacht?«
»Es gibt ein Moratorium, das Geldtransaktionen verhindern soll. Vermutlich wurde auch gegen die anderen Mitarbeiter der Bank ermittelt«, antwortete Davídsson. »Was ist mit den Akten?«
»Die aus Frankfurt sind schon auf meinem Schreibtisch«, antwortete jetzt Schedl. »Ich habe sie mir schon einmal angesehen, aber im Wesentlichen sind uns die Ermittlungsergebnisse schon bekannt und die Akten vom Zeugenschutz haben wir ja auch schon. Das Einzige, was uns noch fehlt, sind die Akten von der JVA, aber da können wir heute Nachmittag ja nachfragen.«
»Wir sollten die Passfotos von den Visaanträgen jedem zeigen, den wir treffen. Vor allem in der Fuggerei – Frau Hübner, dem Hausmeister … Frau Gruber und natürlich Moser, der offensichtlich ein sehr aufmerksamer Nachbar ist. Vielleicht erkennt ja irgendjemand einen der beiden und es gibt endlich eine Verbindung zwischen Catharina Aigner und Lea Schirmer-Lunz. Immerhin hat mir Ricardo Gollas erzählt, dass unter anderem ein japanisches Paar zu Gast auf der Jubiläumsfeier der Fuggerei war. Vielleicht gab es ja noch andere japanische Besucher.«
Davídsson überlegte.
»Die Freundin vom Foto sollten wir vorsichtshalber auch zu einer Vernehmung einladen, sobald wir ihre Adresse ausfindig gemacht haben.«
»Das habe ich schon in die Wege geleitet.« Schedl nahm den letzten Schluck Kaffee.
»Übernehmen Sie die Befragung in der Fuggerei, wenn Sie heute Nachmittag Ihre Aussage gemacht haben?«
Lilian Landhäuser nickte. Ihr war anzusehen, dass sie nicht damit einverstanden war, dass Ólafur Davídsson ihr die Laufarbeit übertrug, aber sie sagte nichts.
19
D ie Fahrt zur Justizvollzugsanstalt Weiterstadt sollte etwas mehr als drei Stunden dauern und sie ausschließlich über die A8 in den Nordwesten Richtung Darmstadt führen.
Kriminalkommissar Schedl hatte sich dazu einen Mercedes vom Fuhrpark des Präsidiums ausgeliehen, nachdem Ólafur Davídsson sich dazu entschieden hatte, die Rechnung des
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