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Oleg oder Die belagerte Stadt - Roman

Oleg oder Die belagerte Stadt - Roman

Titel: Oleg oder Die belagerte Stadt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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einzig gefährliche Stück lag an der Brücke. Ob Serjoscha hier auch entlanggeschlichen war? Nadja blieb nach einer Weile stehen. Ihr Atem ging rasch und weißer Dampf kam aus ihrem Mund. Sie lauschte aufmerksam auf alle Geräusche. Undeutlich hörten sie die Stimmen und das Lachen russischer Soldaten.
    »Komm!«
    Ohne Geräusche zu verursachen, liefen sie durch das steif gefrorene Schilf auf die Brücke zu. In der Ferne klangen Gewehrschüsse und das Anlassen eines Kraftwagens.
    »Krach!« Laut knirschend brach das Eis unter Olegs rechtem Fuß.
    Nadja drehte sich erschrocken um. »Psst!«
    Oleg nickte. Konnte er denn etwas dazu, wenn unter dem Eis eine Luftblase war?
    Schnell zwischen den Schilfstängeln weiterschleichend gelangten sie unbemerkt bis zur Brücke. Jetzt mussten sie das Ufer verlassen und über das Eis weitergehen. Zu seinem großen Schrecken sah Oleg, dass das Wasser mitten unter der Brücke noch nicht zugefroren war. Dunkel, kalt und drohend schlug es Wellen im schneidenden Wind. Ob die paar Meter Eis, die sich an der Betonmauer der Uferbefestigung gebildet hatten, stark genug waren? Oleg wurde plötzlich von würgenderAngst überfallen: Unter der Brücke sah er verkleinerte Bilder aus seinem Traum – Eis und Waken. Schwamm auch hier das gefährliche Wassertier?
    Nadja zögerte einen Augenblick. Dann trat sie vorsichtig auf das Eis. Es hielt. Langsam setzte sie Fuß vor Fuß – in Serjoschas zu großen Stiefeln – auf den schmalen Eisstreifen unter der Brücke. Dann winkte sie Oleg, damit er ihr folge.
    Ratlos schaute sich Oleg um. Fetzen seines Traumes zogen vor seinen Augen vorüber: die verschneite Fläche des gefrorenen Ladogasees, das berstende Eis, sein Vater hinter dem Lenkrad des Lasters!
    Einen Augenblick lang geriet er in panische Angst und vermochte sie nicht zu überwinden. Da fiel ihm ein, was sein Vater vor der letzten, tödlichen Fahrt gesagt hatte: »Es ist nicht schlimm, Furcht zu haben, Oleg. Viel schlimmer wäre es, aufzugeben . . .«
    »Psst!« Nadja winkte ungeduldig, er solle sich beeilen. Jeden Augenblick konnten Soldaten hier vorbeikommen. Oleg holte tief Luft. Krampfhaft bemühte er sich, an seine Mutter zu denken, an die Kartoffeln, an Serjoscha. Ohne zu wagen, nach dem dunklen Wasser zu schauen, trat er auf das Eis. Er dachte an Gott, der wohl nicht unter die Brücke kommen würde, um ihm zu helfen. Er wollte beten, denn der Eisrand unter der Brücke war schmal und unsicher.
    Nadja hatte schon den halben Weg hinter sich. Um sich so leicht wie möglich zu machen, schob sie sich mit dem Rücken und den ausgestreckten Armen ganz dicht an der Betonwand entlang. ›Was für ein Glück‹, dachte Oleg, ›dass wir beide so mager sind!‹
    Fuß vor Fuß setzend schob er sich weiter. Jetzt war auch er schon unter der Brücke. Das Eis knirschte. Ein Riss schoss weiß über die Oberfläche. Langsam sickerte Wasser durch den Sprung nach oben. So rasch es ging, schob sich Oleg weiter. Er wollte so schnell wie möglich weg von dieser gefährlichen Stelle. Da sah er, dass Nadja stehen geblieben war. Warnend hob sie die Hand. Da erst hörte Oleg den Marschtritt einer Abteilung Soldaten. Ein Kommando hallte: »Ohne Tritt!« Trotzdem dröhnten die Schritte über ihnen, wenn auch ungleichmäßig und ohne Ordnung.
    Oleg wagte sich nicht zu rühren. Er schloss die Augen, um das Eis und das Wasser nicht zu sehen. Hockte das Wassertier hier unter ihm? Belauerte es ihn mit seinen großen vorquellenden Augen, bereit zuzuschnappen, sobald das Eis brach?
    Nadja schaute besorgt nach oben. Doch schon bald nickte sie Oleg mit einem Lächeln zu, als ob es ein guter Witz wäre, dass sie all die Soldaten überlistet hatten. Oleg bemühte sich, das Lächeln zu erwidern, doch von Herzen kam es ihm nicht. Er musste unbedingt an etwas anderes denken: an die Kartoffeln, die er nach Hause bringen könnte, an seine Mutter, die vor Freude weinen würde, an die sichere Abgeschlossenheit ihrer Wohnung. Es dauerte eine Ewigkeit, bis die Schritte der Soldaten verhallt waren.
    »Komm!«, winkte Nadja dann.
    An der Brückenwandung Halt suchend, schoben sich Oleg und Nadja weiter. Über die krachende, wogende Eisschicht erreichten sie die andere Brückenseite. Das Wassertier war aus Olegs Gedanken verschwunden.Es war ein befreiendes Gefühl für ihn, als er wieder festen Boden unter den Füßen spürte – mochte der Boden auch gefroren und von einer dünnen Schneeschicht bedeckt sein.
    Oleg schaute auf Nadja. Wie

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