Oliver Hell - Der Mann aus Baku (Oliver Hells zweiter Fall) (German Edition)
befanden sich hinter dem ehemaligen Kasino der Amerikaner. Das Kasino war schon seit Jahren geschlossen. Es gab immer wieder Einbrüche dort, die Fenster waren mit Holz verschalt und zugenagelt. Niemand sollte mehr dort eindringen. Seit einem Jahr war dort ein Neubau der International School entstanden. Die alte Schule war zu klein geworden, zudem war sie in die Jahre gekommen. Etliche Graffitisprayer hatten sich auf den Wänden des Kasinos verewigt.
Hell streifte das Flatterband beiseite und folgte Meinholds Fingerzeig. Er kletterte den kleinen Hü gel hinauf. Als Erstes sah er mehrere Mitarbeiter der KTU, die um etwas auf dem Boden kauerten. Er trat an sie heran. Einer der Kollegen war Seib. Er stand auf, als er den Kommissar erkannte.
„ Ja, Morgen Herr Kommissar, wir haben hier unter anderem die Hände der Toten. Man hat versucht, sie zu verbrennen.“
Hell unterbrach ihn. „ Hände? Die wurden abgetrennt?“
Seib schaute ihn fragend an. „Hat Ihnen Kollegin Meinhold noch nichts gesagt?“
„ Nein, hat sie nicht“, antwortete Hell unwirsch, „Also, was ist mit den Händen?“
Seib zeigte auf die Ecke der Mauer. „ Dort hinten liegen drei Tote. Ihnen fehlen die Hände. Man hat sie abgetrennt, vermutlich mit einer Säge. Sehr grob. Aber das Feuer hat viele Spuren vernichtet. Das war ja auch der Sinn“, sagte er bitter, „… und wir haben auch keine Gesichter mehr gefunden. Man hat ihnen mit einem Messer die Gesichter entfernt. Sie sind wohl zuerst verbrannt worden, man findet nur noch einige Knorpelreste. Die Hände hat man später draufgelegt. Auf das Feuer meine ich.“
Er holte tief Luft, weil er selber noch nicht verdaut hatte, was er da soeben berichtete.
„Können Sie sagen, wie lange die Menschen tot sind?“
Seib schü ttelte den Kopf. „Wenn ich was sagen würde, dann wäre es Spekulation. Aber ich vermute, nicht länger als zwölf Stunden. Bei den Temperaturen kann man das schlecht bestimmen, ohne genaue Untersuchung.“
„ Wenn ich Sie richtig verstehe, dann hat man die Menschen ihrer Gesichtshaut beraubt, damit man sie nicht identifizieren kann. Warum tut man so etwas?“
Hell stand auf und zog die Schultern zusammen. Ihn schmerzte sein Rü cken seit ein paar Tagen.
„ So sieht es aus“, sagte Seib.
Hell gin g weiter, ging um die Mauerecke herum. Meinhold folgte ihm.
„ Es klingt unfassbar“, sagte er.
„ Es ist unfassbar. Unfassbar grausam.“
Hell sah ein niedriges Zelt und zwei Mitarbeiter der KTU, die auf den Knien saß en. Einer füllte Gips in einen Fußabdruck. Der andere nahm mit einer Pinzette etwas vom Boden auf, und legte es in einen Asservatenbeutel. Dort lagen also die drei Toten. Hell warf einen Blick über die Schulter des einen KTU’lers.
Ihm fiel sofort die Größ e der Frauen auf. Keiner hatte erwähnt, dass es sich bei den Toten um Frauen handelte. Hell hustete. Der Anblick der nicht mehr vorhandenen Gesichter war grauenhaft. Es sah so aus, als sei Ihnen die Haut buchstäblich vom Gesicht gerissen worden. Eine unglaubliche Brutalität war für eine solche Tat nötig. Wer machte so etwas?
„ Sie sind recht klein, wie Asiatinnen“, murmelte er.
„ Ja, stimmt. Ich werde als Erstes in der Vermisstendatenbank suchen“, sagte Meinhold und zog Hell am Arm von dem Zelt weg. Ihr war die Veränderung im Gesicht ihres Chefs aufgefallen.
„ Wer hat die Frauen gefunden?“
„ Ein Passant mit einem Hund. Er ist im Krankenhaus. Er hat einen Schock erlitten.“
„ Der Hund hat die Toten gefunden?“
„ Ja, er kam wohl schwanzwedelnd mit einer Hand im Maul zu seinem Herrchen.“
„ Kein Wunder, da hätte ich auch einen Schock bekommen.“
Er kletterte die Bö schung hinunter. Unten blieb er stehen und schaute auf das Wasser. Der Fluss war Zeuge, nur konnte er nichts sagen. Er drehte sich um.
„ Ich bin eben an ein paar Sicherheitsleuten vorbeigekommen. Finden Sie heraus, ob die auch nachts da sind. Und fragen sie die, die nachts da waren, wenn …“ Er machte eine hektische Handbewegung.
„ Sie meinen die Vereinten Nationen? Die Sicherheitsmitarbeiter dort sind vierundzwanzig Stunden da.“
Hell ging weiter und li eß Meinhold stehen. Er musste nachdenken. Nachdem sein Team und er im Sommer den Mörder der Zoophilen gejagt hatten, hatte es eine Zeit der Ruhe gegeben. Doch jetzt kam der Horror mit Macht wieder zurück. Und vielleicht noch schlimmer als zuvor. Daniel Hesse hatte insgesamt drei Menschen getötet, hier hatten sie jetzt drei Tote
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