Rette meine Seele - Vincent, R: Rette meine Seele
1. KAPITEL
Die Welt lag Addison Page zu Füßen. Diese Frau hatte wirklich alles – das Aussehen, die Figur, die Stimme und, nicht zu vergessen, das Geld. Aber Privilegien haben ihren Preis, und ich hätte ahnen müssen, dass die Sache zu schön war, um wahr zu sein.
„Wie bitte?“ Ich musste schreien, um die ohrenbetäubende Musik zu übertönen, die aus den riesigen Lautsprechern dröhnte, und in meinem Hals machte sich ein leises Kratzen bemerkbar. Tausende junger Menschen bewegten sich neben uns im Takt der Musik und sangen aus vollem Hals die Lieder mit, die das strahlend schöne Mädchen vorne auf der Bühne zum Besten gab. Auf zwei riesigen Leinwänden konnten Nash und ich jede ihrer Bewegungen in Nahaufnahme verfolgen.
Nashs Bruder Todd hatte uns erstklassige Platzkarten besorgt, doch inzwischen hielt es niemanden mehr auf den Sitzen. Die Aufregung und die Begeisterung der Zuschauer schwollen an, bis der gesamte Saal vor Energie fast zu platzen schien. Auch ich ließ mich von der allgemeinen Euphorie anstecken. Und dabei spielte gerade erst Edens Vorband …
Wie Todd es geschafft hatte, Sitzplätze in der fünfzehnten Reihe zu ergattern, war mir ein Rätsel. Doch egal wie: Diese Chance hatte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen wollen. Die Chance, Eden live auf der Bühne zu erleben. Dafür opferte ich sogar bereitwillig einen Samstagabend mit Nash allein; auch wenn es ein Abend war, an dem mein Dad bis spät in die Nacht arbeiten musste …
Nash legte mir den Arm um die Hüfte und zog mich an sich. „Ich habe gesagt, dass Todd früher mal mit ihr ausgegangen ist!“, rief er mir ins Ohr.
Als ich seinen vertrauten Duft wahrnahm, schlug mein Herz ein bisschen schneller. Wir waren schon seit sechs Wochen zusammen. Trotzdem musste ich jedes Mal grinsen, wenn er mich anlächelte, und wurde knallrot, wenn er mir richtig tief in die Augen sah. Als ich ihm antwortete, streifte ich mit den Lippen flüchtig sein Ohr. „Mit wem ist Todd ausgegangen?“ Im Saal gab es Tausende möglicher Kandidatinnen.
„Mit ihr!“ Nash deutete über die Köpfe der Umstehenden nach vorne, aber ich konnte nicht so recht glauben, auf wen er zeigte.
Auf der Bühne stand Addison Page und heizte dem Publikum vor dem Auftritt des Stars des Abends ein. Sie trug schmal geschnittene schwarze Stiefel zu einer zerrissenen Hüftjeans und einem eng anliegenden weißen Top, das sie mit einem glitzernden silbernen Gürtel kombiniert hatte. In ihrem weißblond gefärbten Haar glänzte eine blaue Strähne, die bei schnellen Drehungen durch die Luft wirbelte. Gerade besang sie voller Inbrunst eine verlorene Liebe, und ihre Stimme klang so klar und kraftvoll wie auf ihren Alben.
Ich starrte die Sängerin ungläubig an. „Todd ist mit Addison Page ausgegangen?“ Es war so laut, dass Nash mich unmöglich gehört haben konnte, schließlich verstand ich meine eigenen Worte kaum. Doch er nickte mir zu und zog mich an sich, als der Typ neben mir johlte und seine Faust gefährlich dicht vor meinem Gesicht in die Luft riss.
„Vor drei Jahren“, rief er. „Sie ist hier aufgewachsen.“
Viele waren nicht nur wegen Eden gekommen, sondern auch wegen Addison Page, dem Shootingstar aus Texas. „Sie ist aus Hurst, oder?“, fragte ich. Hurst lag weniger als zwanzig Minuten von meiner Heimatstadt Arlington entfernt.
„Ja. Addy und ich sind zusammen in die neunte Klasse gegangen,bevor ich mit Mom nach Arlington gezogen bin. Todd war in der zehnten, und die beiden sind gut ein Jahr lang zusammen gewesen.“ Nashs Atem kitzelte mein Ohr.
„Was ist dann passiert?“ Ich drückte mich noch enger an ihn. „Addy hat eine Rolle in einer Fernsehserie bekommen und ist nach Los Angeles gezogen“, erklärte er schulterzuckend. „Für einen Fünfzehnjährigen ist es schwer genug, eine Fernbeziehung zu führen. Wenn deine Freundin berühmt ist, kannst du es vergessen.“
„Warum ist er dann heute Abend nicht hier?“ Wenn ich von jemand Berühmtem sitzen gelassen worden wäre, hätte ich mir die Gelegenheit sicher nicht entgehen lassen, ihn auf der Bühne zu erleben.
„Er ist hier irgendwo.“ Nash ließ den Blick suchend über die Menge schweifen. „Aber er braucht eben keine Eintrittskarte.“
Reaper wie Todd konnten sich nach Lust und Laune sichtbar oder unsichtbar machen und selbst bestimmen, wer sie sah oder hörte. Theoretisch war es möglich, dass er in diesem Moment direkt neben Addison Page auf der Bühne stand. Und so wie ich Todd
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