Ondragon - Menschenhunger
rannte gebückt in den Schutz einiger Sträucher. Ein weiterer Pfeil sirrte an ihm vorbei und schlug zwei Schritte weiter in einen Baum ein. Sein Fuß verfing sich im Geäst, und er geriet ins Stolpern, doch er fing sich wieder und rannte weiter, barfuß und blutend, wie ein Tier auf der Flucht vor seinem Jäger.
Äste peitschten ihm ins Gesicht und er konnte keine Armeslänge weit sehen, so dunkel war es. Aber er rannte und rannte, ignorierte seine Schmerzen. Die Jägerin war irgendwo hinter ihm. Er konnte sie hören, aber nicht sehen. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Wenn er sie in der Dunkelheit nicht sehen konnte, dann konnte sie das auch nicht. Sie konnte ihn also nur durch seine Geräusche orten. Abrupt schlug er einen Haken, suchte Schutz hinter einem dicken Baumstamm und lauschte in die feindliche Finsternis des Waldes. Jetzt, da er beide Hände frei hatte, fühlte er sich nicht mehr ganz so hilflos, aber Kateri hatte mit Sicherheit mehr Erfahrung mit der Jagd auf diesem Terrain. Er würde sich allein auf seine vom Fieber vernebelten Instinkte verlassen müssen, um mit ihr als Gegner fertig zu werden. Leise ging Ondragon in die Hocke und grub seine Finger in die vom Regen aufgeweichte Erde. Dann schmierte er sich den Schlamm ins Gesicht, damit es nicht mehr als heller Punkt weithin sichtbar leuchtete. Danach entledigte er sich bis auf die schwarze Unterhose seiner auffälligen Klamotten und verpasste auch dem Rest seines Körpers eine Schlammpackung, dabei immer wieder in den Wald hinaus horchend.
Nachdem er sich in einen primitiven Krieger verwandelt hatte, lenkte er seine Überlegungen auf eine mögliche Waffe. Er könnte Steine benutzen oder dicke Äste, doch gegen einen Bogen oder seine Sig Sauer mutete das wirklich steinzeitlich an. Hätte er bei seiner Flucht doch wenigstens einen von Vernons Messerhandschuhen mitgenommen. Ondragon gefiel es nicht, aber das einzige, was ihm blieb, war in Deckung zu bleiben und zu hoffen, dass er Kateri entkommen konnte, bevor die Sonne aufgehen würde!
53. Kapitel
2009, Moose Lake, im Wald
Ironischerweise erinnerte ihn das plötzlich alles an die Versteckspiele in seiner Kindheit. Damals in Schweden waren sein Bruder und er durch das Haus und den großen Garten seiner Großeltern getobt und hatten Cowboy und Indianer gespielt. In jenen Tagen war er tatsächlich glücklich gewesen, ein glückliches Kind, das wusste er heute. Leider hatte sich das Kinderspiel von damals jetzt in tödlichen Ernst verwandelt und zeigte seine verstörend realistische Fratze. Es schien ihm als Hohn des Schicksals, dass dort eine Indianerfrau auf leisen Sohlen durch die Büsche schlich, um ihm einen Pfeil ins Herz zu jagen, und nicht Per, der sich mit Federn im Haar geschmückt hatte und gellende Laute ausstieß. Per war immer der Indianer gewesen. Und nun war er tot.
Plötzlich packte Ondragon Wut. Er würde Kateri zeigen, dass er diesem Spiel gewachsen war. Wie ein Raubtier ließ er sich auf alle viere nieder und witterte. Er roch, fühlte und horchte mit allen Sinnen. Ja, er konnte den Wald sogar auf seiner Zunge schmecken. Ein entferntes Knacken drang an seine empfindlichen Ohren. Jemand bewegte sich durch das Unterholz. Jemand, der sehr darauf bedacht war, keinen Laut von sich zu geben. Kateri.
Ondragon fühlte sich wie Gollum, als er nur bekleidet mit seiner Unterhose auf Händen und Füßen durch das Moos kroch - genau auf sein Opfer zu. Alles, was er hatte, war das Überraschungsmoment. Er würde Kateri auflauern und anfallen. Wenn er Glück hatte, dann hatte sie nur den Bogen schussbereit, nicht aber seine Pistole.
Lautlos wie eine giftige Schlange kroch er auf sie zu. Es war eine anstrengende Tätigkeit, die nur sehr langsam vonstatten ging, denn auch Kateri bewegte sich achtsam wie ein Luchs. Immer wenn sie stehen blieb, um zu lauschen, hielt auch er inne. Mühsam und in Zeitlupe bewegten sie sich aufeinander zu. Und plötzlich war es still. Kateri war nicht mehr zu hören, und sehen konnte er sie auch nicht, aber er vermutete sie keine zehn Schritt von sich entfernt hinter einem Dickicht aus Wacholdersträuchern. Das war zu weit, um sie zu überrumpeln. Er musste es schaffen, bis auf drei, vier Schritte an sie heranzukommen, dann hätte er eine ernst zu nehmende Chance. Doch Kateri verharrte regungslos an ihrem Standort. Hatte sie ihn bemerkt? Lauschte sie nur? Ondragon spannte seinen Körper an, um jeden Moment losschnellen zu können.
Doch dann ging Kateri weiter, einen
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