Lea - Untermieterin bei einem Vampir
Kapitel 1
„Hey Tom.“
Ich winkte ihm flüchtig beim Betreten der Wohnung zu und warf meinen Rucksack unachtsam auf den Boden.
„Du schuldest mir hundert Dollar“, war seine Begrüßung.
Es war eine typische Tom-Begrüßung, obwohl er auch nett sein konnte, aber er verstand eben keinen Spaß, was Finanzen betraf. Entsprechend ernst betrachtete er mich nun auch. Sein Mund war eine feste Linie, die Kiefermuskeln freudlos angespannt und die kräftigen Arme vor der Brust verschränkt. Die Menschen haben schon vor ewiger Zeit festgestellt, dass Vampire kleinlich in Geldfragen sind und so war ich kein bisschen verwundert über seine ruppige Art, denn um der Wahrheit genüge zu tun: Ich schuldete ihm hundert Dollar.
„ Du bekommst dein Geld, Tom. Habe ich jemals nicht bezahlt?“
Es war unangenehm still und ich hielt inne. Okay, der Punkt ging nicht auf mein Konto. Ich hatte schon einmal nicht gezahlt, jedenfalls nicht pünktlich. Ich gab mich geschlagen und nickte. Tom brauchte überhaupt nichts zu sagen. Immerhin zollte er damit meinem erstaunlichen Erinnerungsvermögen Anerkennung, denn er war sich anscheinend sicher, dass ich noch darauf käme. War das etwa nichts? Ich hatte trotzdem keine Angst, dass Tom mich deshalb gleich rauswerfen würde. Denn mal ehrlich: Untermieter bei einem Vampir zu sein, das war nichts, worum sich die Leute rissen.
Es mochte einen verwundern, denn man sollte meinen, dass dieselben Leute, die freudestrahlend selbstgebastelte Plakate schwenken und auf Hochhäusern die Ankunft Außerirdischer bejubeln würden, auch zu dem Personenkreis zählten, die sich um Vampirgesellschaft prügelten. Aber ich war immer wieder erstaunt, wie viele vernünftige Menschen es offensichtlich doch gab.
Ich beendete an dieser Stelle den Gedankengang, bevor ich zu der Frage gelangen konnte, weshalb ich es allerdings tat – mit einem Vampir zusammenleben.
Tom würde also seine Wohnung nicht sehr gut nachbesetzt bekommen und meine Koffer mussten trotz Zahlungsverzug nicht so bald gepackt werden. Trotzdem, ich wollte nicht ausziehen müssen. Denn woanders wäre es deutlich teurer und das schon bei wesentlich weniger Komfort. Ich würde das Geld beschaffen.
Irgendwie.
„ Wann?“, fragte er nun.
Es war schaurig, wie gut er einen auf Dinge festnageln konnte, die man eigentlich gerade verdrängen wollte.
„Wirklich so schnell es geht.“
Er schüttelte den Kopf.
„Keine Chance, Lea. Wir legen jetzt zwei Punkte fest. Erstens: den genauen Zeitpunkt der Zahlung. Zweitens: die Form der Verzugszinsen.“
Wie schaffte er es eigentlich, so viele unangenehme Wörter in einen Satz zu packen?
Tom starrte mich rücksichtslos fordernd an. Übrigens Tom. Ich fragte mich, ob das ernsthaft sein richtiger Name war. Welcher Vampir hieß schon Tom Tilly? Das war ein Name für kleine sommersprossige Jungs, die in der Schule gehänselt wurden, nicht für eiskalt berechnende Vampire. Doch es war der Name, der in seinem Pass stand. Konsequenterweise fragte ich mich natürlich, ob sein Pass echt war.
Also gut, am besten ich machte die Vorschläge auf seine zwei unumschiffbaren Forderungen, bevor er es tat.
„Erstens: in einer Woche? Zweitens: Ich könnte für dich kochen.“
Ich sah ihn so lieblich wie möglich an. Kein Wässerchen konnte mich trüben. Doch ich ahnte es schon. So sehr man nicht verhindern konnte, dass Regen fiel oder auf einen Blitz der Donner folgte, so wenig vermochte ich es, Tom so plump zu leimen.
Innerlich schmunzelte er vielleicht über meinen dilettantischen Versuch, aber da es noch immer um Geldfragen ging, blieb er äußerlich kühl.
„ Zu erstens: Du hast zwei Tage. Zu zweitens: Streng dich ein bisschen an, Lea. Du für mich kochen? Ich muss mir um Lebensmittelvergiftungen zwar keine Sorgen machen, aber das wäre doch eher eine Strafe für mich, als eine Entlohnung. Wo du aber gerade Essen erwähnst...“
„ Nein, Tom. Oh nein!“
Ich wedelte abwehrend mit den Händen.
Toms Vorstellungen von einem heißen und einem kalten Buffet unterschieden sich lediglich darin, ob das Blut frisch vom Spender getrunken wurde oder im Glas daherkam. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich war schon mal Blutspenden. Allerdings beim Roten Kreuz und nicht bei einem Vampir. Man konnte es kleinlich nennen, aber ich konnte nicht aus meiner Haut. Uh, war das eklig. Was für eine Vorstellung!
Mich wunderte es nicht, dass Tom keine Freundin hatte. Er sah wirklich zum Sterben schön aus, leider war das völlig
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