Onkel Toms Hütte
wir müssen fest im Glauben stehen. Die gnädige Frau sagt, wenn alles sich gegen uns verbündet, so müssen wir doch wissen, daß Gott alles zum besten wendet.«
»Die Leute haben gut reden; die sitzen auf Sofas und fahren fein im Wagen; laß sie an meiner Stelle sein, dann würden sie anders reden. Ich weiß, ich bin hart. Ich wollte, ich wäre es nicht. Aber alles in mir lehnt sich auf. Dir würde es an meiner Stelle nicht anders gehen. Aber ich bin noch nicht fertig. Du weißt noch nicht alles.«
»Noch etwas Schlimmes?«
»Ja. Der Herr bereut es plötzlich, daß er mir erlaubte, hierher zu heiraten. Denn er kann Mr. Shelby und dessen ganze Sippe nicht mehr ausstehen. Er sagt, sie seien stolz und rümpften die Nase über ihn. Und daß ich meinen Dünkel von dir hätte, darum will er mich nicht mehr hierher lassen. Ich soll dort ein Weib nehmen und eine Familie gründen. Anfangs schalt und brummte er nur, aber gestern befahl er mir, Minna zu heiraten und mit ihr in eine Hütte zu ziehen, sonst würde er mich flußabwärts verkaufen.«
»Wieso? Du bist doch mit mir verheiratet. Ein Priester hat uns getraut, genau wie die Weißen«, sagte Eliza unschuldsvoll.
»Weißt du nicht, daß ein Sklave nicht heiraten kann? Kein Gesetz dieses Landes garantiert ihm die Ehe. Wenn er gewillt ist, uns zu trennen, kann ich dich nicht mitnehmen als mein Weib. Darum wünschte ich, ich wäre nie geboren. Es wäre besser für uns beide. Es wäre auch besser für dieses arme Kind, es wäre nie geboren. Ihm mag das alles noch bevorstehen.«
»Aber mein Herr ist gut.«
»Das wohl. Aber wer weiß, er kann sterben, und dann wird das Kind an einen Wildfremden verkauft. Was haben wir davon, daß es hübsch und aufgeweckt und strahlend ist? Ich sage dir, Eliza, ein Schwert wird durch deine Seele gehen für jede gute Eigenschaft, die dein Kind besitzt. Es wird zu wertvoll, als daß du es behalten könntest!«
Diese Worte zerrissen Elizas Herz. Das Bild des Händlers trat ihr wieder drohend vor Augen. Sie wurde weiß wie die Wand und rang nach Atem, als ob ihr jemand einen tödlichen Streich versetzt hätte. Unruhig blickte sie sich nach dem Kinde um, das sich, gelangweilt und der ernsten Unterhaltung der Eltern, auf die Veranda verzogen hatte, wo es triumphierend auf Mr. Shelbys Spazierstock ritt. Sie hätte ihrem Mann gern ihre Ängste anvertraut, aber sie besann sich rechtzeitig.
»Nein – nein. Er hat schon genug zu tragen, der Ärmste. Ich sage es lieber nicht. Es stimmt auch gar nicht, die gnädige Frau hat uns noch nie betrogen!«
»Also Eliza, liebes Weib«, sagte Georg mit traurigem Blick, »sei tapfer und lebe wohl, denn ich muß scheiden.«
»Scheiden, Georg? Wo willst du hin?«
»Nach Kanada«, antwortete er, sich aufrichtend. »Wenn ich erst dort bin, werde ich dich freikaufen, das ist die einzige Hoffnung, die uns bleibt. Du hast einen guten Herrn, er wird sich nicht weigern, wenn ich dich freikaufe, dich und das Kind. Gott helfe uns!«
»Wie entsetzlich! Und wenn sie dich ergreifen?«
»Mich wird keiner ergreifen, Eliza. Lieber sterbe ich. Ich will die Freiheit oder den Tod!«
»Ach, du darfst dich nicht umbringen!«
»Keine Angst. Da sind sie mit dem Totschlagen schneller bei der Hand, aber auf dem Fluß werden sie mich nicht lebendig fangen.«
»O Georg, um meinetwillen, sei vorsichtig! Versündige dich nicht, lege keine Hand an dich oder einen andern. Man hat dich furchtbar gereizt, aber du sei – ja, fliehe, sei klug und vorsichtig! Bete zu Gott, er möge dir helfen.«
»Ja, Eliza, aber höre dir noch meine Pläne an. Mein Herr schickte mich heute mit einem Brief zu Mr. Symnes, der von hier noch eine Meile weiter wohnt. Er vermutet natürlich, daß ich dir im Vorbeigehen mein Herz ausschütten werde und freute sich schon, damit die Shelby-Leute zu ärgern. Nun werde ich ganz resigniert nach Hause kommen, verstehst du, als ob ich alle Hoffnung aufgäbe. Ich habe aber alles vorbereitet und habe Leute, die mir helfen. Im Laufe der Woche werde ich dann zu den Vermißten gehören. Bete du für mich, Eliza. Dich wird der Herrgott vielleicht erhören.«
»Ach, Georg, du mußt selber beten und auf ihn vertrauen. Dann wirst du kein Unrecht tun.«
»Dann lebe wohl«, sagte Georg, Elizas Hände ergreifend und ihr bewegt in die Augen blickend. Beide verharrten in tiefem Schweigen. Ihre Hoffnung auf ein Wiedersehen hing an einem Seidenfaden, letzte Worte des Abschieds, Schluchzen und bittere Tränen – das war
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