Online Wartet Der Tod
aus.«
»Kein Problem. Der eigene Schreibtisch wird sowieso überschätzt.« Ellie versuchte, unkompliziert zu klingen, selbstsicher.
»Wenn Sie nicht gerade schwerhörig sind, haben Sie eben vielleicht den einen oder anderen Kommentar aufgeschnappt.«
McIlroy hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Stimme zu senken. Die Detectives an den benachbarten Tischen wandten sich beflissen ihrer Arbeit zu.
»Schwerhörig bin ich nicht, Sir«, sagte Ellie.
»Lassen Sie den Sir-Quatsch. Nennen Sie mich Flann.«
»Und Sie mich Ellie. Meine Freunde sagen auch Lockvögelchen zu mir.« Sie sah zu dem jungen Polizisten am Nachbartisch hinüber, der laut lachte. Einen hätte ich geknackt, dachte sie.
»Ich erkläre es Ihnen unterwegs«, sagte Flann. »Kommen Sie, ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
»Gegen drei Uhr in der Nacht zum Samstag haben zwei Männer in einem Durchgang an der Avenue C eine Frauenleiche gefunden.« McIlroy klappte die Sonnenblende des abteilungseigenen Ford Crown Victoria herunter, bog links in die Third Avenue ein und gleich noch einmal links in die 20. Straße in Richtung East Side. »Der Name der Frau war Amy Davis. Sie hat im angrenzenden Haus gewohnt. Wir wissen inzwischen, dass sie von einem Date nach Hause kam, als der Kerl sie erwischt hat. Erdrosselt.«
Er hielt Ellie einen dünnen Pappordner hin. Sie schlug die Mappe auf und nahm ein A4-Foto heraus. Amy Davis lag auf einem Metalltisch. Bis zu den Schultern wurde sie von einem weißen Tuch verdeckt, aber das, was von ihr zu sehen war, verriet genug. Ihr Gesicht war scharlachrot. Am Hals zeichneten sich dunkel verfärbte Quetschungen ab, die Augen waren aus den Höhlen getreten, und zwischen den verkrusteten Lippen sah die angeschwollene Zunge hervor. Den vielen Abdrücken zwischen Kinn und Schlüsselbein war zu entnehmen, dass der Mörder seine Hände benutzt hatte. Und Amy hatte sich heftig gewehrt.
»Woher wissen Sie, dass der Mann, mit dem sie verabredet war, sie nicht nach Hause gebracht und die Tat begangen hat?«
»Wir haben das hier in der Manteltasche des Opfers gefunden.« McIlroy zog einen zusammengefalteten weißen Zettel aus seiner Tasche und reichte ihn Ellie. »Wir haben ihn sofort auf dem Handy angerufen. Das ist natürlich eine Kopie.«
Ellie las den E-Mail-Wechsel von unten nach oben und begann mit der ersten Nachricht. Die war eine Woche zuvor von CameraMan an MoMAgirl geschickt worden: Ich habe mir Dein Profil angesehen. Scheint so, als hätten wir einiges gemeinsam. Vielleicht erobern wir mit meiner Fotografie und Deiner Vorliebe für Warhol die Kunstwelt im Sturm. Schau Dir mein Profil an und melde Dich. Ich bin Brad.
Zwei Stunden später hatte MoMAgirl geantwortet: Sieht auch nicht schlecht aus. Was fotografierst Du so? Amy (alias MoMAgirl)
Ein paar Tage lang hatten die beiden einander ein- oder zweimal am Tag geschrieben, und am Freitagabend hatte Brad vorgeschlagen, dass sie sich gegen elf auf einen Drink treffen könnten.
»Freitagabend um elf? So ein Schleimer«, murmelte Ellie.
»Der Schleimfaktor, wie Sie es nennen, erhöht sich noch«, sagte McIlroy. »Aber er ist nicht unser Mann. Ich habe ihn angerufen, unmittelbar, nachdem wir die Mails gefunden hatten. Und ich musste an die sechs Mal Wahlwiederholung drücken, bis er endlich ranging. Er lag bei einer anderen Frau im Bett. Dieser Bettgenossin zufolge hat Playboy Brad gegen Mitternacht bei ihr angerufen und gesagt, er sei gerade in der Nähe.«
»Er kann sie nach der Tat angerufen haben, um sich so etwas wie ein Alibi zu verschaffen.«
»Nur dass die Frau sich an Bargeräusche im Hintergrund erinnert und die Kellnerin im ›Angel’s Share‹ daran, dass er telefoniert hat, als sie die Rechnung brachte. Offenbar war er empört darüber, was für teuren Wein Amy getrunken hat.«
»Haben Sie die Anruflisten auf seinem Handy geprüft?«
McIlroy nickte. »Die bestätigen das: gegen Mitternacht zwei Anrufe unmittelbar nacheinander. Einer bei einer Frau im West Village, die sich nicht gemeldet hat, einer bei seiner Bettgenossin, die rangegangen ist.«
»Und zwischen Nummer wählen und schneller Nummer kann er Amy Davis nicht umgebracht haben?«
»Die schnelle Nummer, wie Sie es so treffend bezeichnen, hat in der Nähe des Flatiron Building stattgefunden. Eine Aufzeichnung der Fahrstuhl-Überwachungskamera zeigt ihn zehn Minuten nach dem Handy-Telefonat.«
Ellie schloss die Argumentationskette. »Und selbst in der doppelten Zeit würde es niemand vom
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