Operation Blackmail
hängen. Die ersten Bilder kamen vor zehn Minuten, online über das
Handy vom Fotografen. Unser Chefredakteur hat längst ausgewählt. Junge, wir
sind in Paris, hier gibt es Fotografen wie Sand am Meer. Und nicht wenige davon
hören den Polizeifunk. Mach das nächste Mal ein Foto vom Mord selbst, das ist
sensationell. Für alles andere musst du früher aufstehen. Tut mir leid, Mann.«
»Schon klar. In Ordnung. Danke dir, Anon.«
»Okay. Ich will dich nicht entmutigen. Ruf wieder an, wenn du was
hast.«
Frustriert legte Marcel auf. Vielleicht war es doch nicht so
einfach, vom Medizinstudenten auf Fotoreporter umzusatteln. Er hatte noch viel
zu lernen. Und Linda würde sauer sein. Richtig sauer. Dabei hatte er nichts, um
sie zu beruhigen. Obwohl, vielleicht doch, sinnierte er, als er sich hochstemmte
und mit zittrigen Knien zur nächsten U-Bahn-Station wankte.
KAPITEL 3
Paris, Boulevard Haussmann
Tag 0: Freitag, 4. Januar, 09:14 Uhr
Fünfzig Meter entfernt atmete Dominique Lagrand hörbar
aus. Endlich hat sich die verdammte Journaille verzogen, dachte der Adjutant
des Polizeipräsidenten, der als erster Stabsoffizier vor Ort war. Ein fucking
Albtraum: Irgendein Wahnsinniger hatte am helllichten Tag eine Passantin von
einem belebten Pariser Bürgersteig geputzt. Das versprach Ãrger, und sein
cholerischer Chef würde toben. Er musste die Lage so schnell wie möglich in den
Griff kriegen, was ihm wie immer nicht leichtfallen dürfte. Trotz seiner mittlerweile
fast achtundzwanzig Jahre sah er mit seiner Täubchenbrust, so sein ehemaliger
Sportlehrer, immer noch aus wie ein Teenager. Er hatte blonde Haare, war mit 1
Meter 68 auch nicht gerade groà gewachsen und musste regelmäÃig bei
Discobesuchen seinen Ausweis vorzeigen. Keine guten Voraussetzungen, um sich
bei einer testosteronstrotzenden Spezialeinheit durchzusetzen. Aber Dominique
war vom Leben nicht eben verwöhnt worden, er war hart im Nehmen, und die ihm
übertragenen Aufgaben pflegte er mit geradezu selbstloser Hartnäckigkeit zu
erledigen. Und er brauchte nun einmal den Bericht. So baute er seine schmale
Statur so gut es ging vor dem Einsatzleiter auf, einem Mann Mitte fünfzig mit
wettergegerbtem Gesicht und Dreitagebart, der genauso aussah, wie Dominique
gerne ausgesehen hätte. Wenn er sich drei Tage nicht rasierte, machte ihn sein
dünner Flaum auch nicht männlicher. Dominique Lagrand war Realist, und er
setzte Vertrauen in die Streifen seiner Uniform: »Guten Morgen, Capitaine,
können Sie mich bitte ins Bild setzen?«
Der Leiter des Sondereinsatzkommandos stand lässig an einen
Mannschaftswagen gelehnt und rauchte einen nach verbrannten Autoreifen
stinkenden Zigarillo. Geduldig musterte ihn der erfahrene Beamte, letztendlich
fiel seine Antwort jedoch gar nicht so abschätzig aus, wie Lagrand erwartet
hatte: »Sie müssen der Neue von Rocard sein, nicht wahr?«, fragte er und
spuckte Tabakfetzchen auf den Boden.
»Das stimmt, Monsieur«, seufzte Dominique.
»Na gut, Sie können ja nichts für den Bastard. Da wir beide wissen,
dass sich die aufgeblasene Kröte gleich hier blicken lassen wird, um der Presse
seine Meinung aufs Auge zu drücken, will ich Ihnen nicht den Freitagabend vermiesen.«
»Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar«, gab Dominique zurück und
entspannte sich etwas.
»Im Moment scheint keine Gefahr mehr zu bestehen, von dem Täter
fehlt jede Spur. Laut Ausweis heiÃt das Opfer Sophie Besson, eine Angestellte
der EuroBank, die gerade auf dem Weg zur Arbeit war. Ob sie es wirklich war, können
wir derzeit nicht sagen. Er hat ihr das halbe Gesicht weggepustet, so wie ich
den Notarzt verstanden habe, mit einem ziemlich groÃen Kaliber. Ãble
Austrittswunde, ich tippe auf ein Gewehr. Genaueres bekommen Sie erst vom
Gerichtsmediziner. Wie schon gesagt: Unsere Arbeit ist getan, die StraÃe ist
sicher. Jetzt sind Sie dran, und ich schätze, Sie werden nicht so schnell
wieder in die gemütliche Kaserne kommen. Obwohl, bei Rocards Leuten weià man
nie, angeblich kriecht ihr ja in die Wärme eurer Büros wie die Motten zum
Licht«, lachte der Beamte schallend und zündete sich noch einen Zigarillo an.
Aus dem Augenwinkel beobachtete Lagrand, wie sich die silberne Limousine seines
Vorgesetzten näherte.
»Besten Dank erst einmal, Capitaine, Sie haben mir schon sehr
geholfen«, murmelte er zum
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