Abschied und bereitete sich auf die Ankunft Seiner
Majestät, des selbst ernannten Königs von Paris, vor. Der schwere Wagen kam
neben ihm zum Stehen, und noch während er ausrollte, wurde energisch die
hintere Tür geöffnet: General Rocard betrat die Szene. Seine Uniform sah aus,
als hätte er heute schon vier beschwerliche Stunden im Dienst der Republik
absolviert, obwohl Lagrand wusste, dass er seine Haushälterin anwies, an Arm-
und Kniebeugen Falten hineinzubügeln. Du bist fast genauso ein dämlicher Lackaffe
wie mein Alter, dachte er im Stillen. ÃuÃerlich das Gegenteil des schweren
Rocard, war ihm sein Vater charakterlich umso ähnlicher. Eitel von den
Haarspitzen bis zur Schuhsohle, hatte ihn der Pedant in den kindlichen Wahnsinn
getrieben. Und schlieÃlich aus reiner Rebellion gegen das verhasste Jurastudium
in den Polizeidienst und damit indirekt in die Arme des ebenso eitlen Rocard.
Nachdem er seinen Chef über die Lage informiert hatte, unterbreitete er ihm
seine Vorschläge: Spurensicherung, Durchsuchung aller umliegenden Wohnungen,
Befragung der Anwohner sowie der Kollegen in der Bank.
»Bei der zu erwartenden Publicity würde ich Ihnen Commissaire Fallot
vorschlagen. Sie ist kompetent und wird Ihnen auf der Pressekonferenz nicht den
Rang ablaufen«, schloss er mit einem Lächeln. Er wusste, dass die Erwähnung der
Medien seinen Chef eher dazu bringen würde, seine Vorschläge zu akzeptieren.
Sein eigentlicher Beweggrund für die Ernennung von Catherine Fallot zur
Leiterin der Sonderkommission war die Tatsache, dass sie ihn nicht wie alle
anderen herablassend behandelte. Viele sahen in ihm den unerfahrenen Jagdhund
vor der Eignungsprüfung, dabei hatte er sein Studium an der Polizeiakademie mit
Prädikat abgeschlossen. In diesem Fall hatte ihn sein Urteilsvermögen nicht
getäuscht, und der General winkte seine Pläne ohne jede Ãnderung durch.
»Pressekonferenz um 13 Uhr«, verlangte er noch, bevor er wieder in seinen Dienstwagen
stieg und es Lagrand überlieÃ, seine Anweisungen umzusetzen. Zu diesem
Zeitpunkt ahnte Dominique Lagrand nicht, dass auch die überaus kompetente
Catherine Fallot den ersten brauchbaren Hinweis auf ein Motiv erst 72 Stunden
später erhalten sollte.
KAPITEL 4
Frankfurt am Main, Konzernzentrale der EuroBank
Tag 1: Montag, 7. Januar, 08:17 Uhr
Bläulich schimmernd spiegelten die zwei Türme der EuroBank-Konzernzentrale
die Strahlen der Morgensonne über der Mainmetropole wider. Zwischen den im
Konferenzraum versammelten Vorstandsmitgliedern lag eine nicht fassbare
Spannung. Niemand der Anwesenden kannte den Grund ihres eiligst anberaumten
Meetings an diesem Morgen. Jeder Einzelne hatte einen Anruf von der
persönlichen Assistentin ihres neuen Vorstandsvorsitzenden bekommen: »Dr.
Heinkel erwartet Sie um 8:30 Uhr in seinem Konferenzraum wegen eines Notfalls.«
Nun saÃen zehn der einflussreichsten Bankmanager der Welt im 33. Stock eines
Frankfurter Hochhauses und fragten sich, welche schlechten Nachrichten so
dringend sein konnten, dass ein Termin zu derart früher Stunde notwendig war.
Um exakt 8:20 Uhr öffnete sich die Tür, eine gespannte Stille legte
sich über den groÃen Konferenztisch. Schwungvoll betrat Dr. Peter Heinkel in
einem dunkelblauen MaÃanzug mit faltenfrei gestärktem Hemd und passender
Krawatte den Raum. Er war ein respektierter Manager, der sein Imperium in den
vergangenen Monaten weitgehend ohne Schaden durch eine der schwersten
Finanzkrisen in der Geschichte der Menschheit gesteuert hatte, aber heute stand
ihm die gröÃte Herausforderung seiner Karriere bevor. Hinter ihm schloss Paul
Vanderlist, der Sicherheitschef des Instituts, die schwere Eichentür.
»Meine Herren, bereits am Freitag habe ich Sie über den kaltblütigen
Mord an unserer Mitarbeiterin Sophie Besson informiert. Die Polizei tappt
bisher im Dunkeln, aber ich befürchte, ich kann Ihnen heute eine Erklärung für
ihr plötzliches Ableben liefern«, eröffnete Heinkel seinen Vorstandskollegen.
Mit einem kurzen Nicken bedeutete er seinem Assistenten, den Beamer
einzuschalten.
»Wir werden erpresst«, fuhr er fort. »Folgende E-Mail ging gestern
Abend bei mir ein.« Auf der glatten Wand erschien die auf zwei mal drei Meter
vergröÃerte Abbildung einer einfachen E-Mail:
Â
von:
[email protected] an:
Â
Paris