Opfer fliegen 1. Klasse
Schwimmhalle. Es gab Fensterschächte, die aber kaum Licht
hereinließen wegen der Mattglasscheiben. Das Becken maß zwölf mal acht Meter,
an der tiefsten Stelle konnte man 192 cm tief gründeln. Drüben — an der anderen
Schmalseite, wo auch zwei Hometrainer standen: eine Rudermaschine und ein
Standfahrrad — war das Becken nur einen Meter tief.
Auf einer Längsseite stieß der
Pool an die Mauer. Dort war lediglich ein fußbreiter Rand, zu schmal zum
Begehen, aber geeignet als Ablage.
Bizarre Steine und Kiesel waren
dort angehäuft, Muscheln waren verstreut: eine Erinnerung an Meer, Licht und
Sonne, an schäumende Gischt, bemooste Felsen, feinsandigen Strand —
überbevölkert, natürlich — , leere Steilklippen und ferne Horizonte.
Auch ein Schwimmbrett lehnte
dort an der Wand. Es gehörte Irene Flörchinger und hatte seinen Platz nicht
verändert, seit der Scheidung — seit damals. Die Frau hatte es gern benutzt,
sie würde es wieder tun. Es half, sich zu strecken. Es half, dem Rücken Gutes
zu tun.
In der kerbigen Vertiefung an
der Unterseite war ein abgeschnittenes Stromkabel hineingedrückt. Das Ende
führte — unsichtbar hinter dem überhöhten Beckenrand — zu einer Steckdose, war
eingestöpselt. Das Kabel stand unter Strom.
Leipel hatte alles berechnet.
Er hatte gewußt: Seine Ex-Frau würde bald, sehr bald, in den Swimmingpool
steigen. Sie mußte quer durch das Becken schwimmen, um an das Brett zu
gelangen. Sie würde danach greifen, es würde ins Wasser platschen. Überall im
Haus würden die Lichter erlöschen. Kurzschluß. Der Stromschlag, der das Wasser
auflud und zur Todesfälle machte, würde Irene töten.
Man würde sie finden und
natürlich auch das Kabel, das sich dann längst von dem Schwimmbrett gelöst
hatte.
Todesfälle? Unfall? Sollten sie
sich doch den Kopf zerbrechen. Mit Sicherheit konnte niemand was behaupten. Und
die Mitwisserin gab es nicht mehr.
Nein, niemand würde den
Verstorbenen schmähen. Sein Ansehen würde erhalten bleiben für alle Zeit — und
Susanne Kühnert nun die einzige Erbin sein.
*
„By Jingo!“ rief Karl. „War das
eine Pleite! Rausgeschmissen hat sie uns. Wir haben unser Pulver verschossen
und sind so schlau wie vorher.“
Gaby nickte. „Malakaputtschino
werden wir nicht lösen. Ich hab’s ja gleich geahnt. Alle Befragungen enden wie
an einer Wand. Susanne Kühnert hängt wegen ihres Trauerfalls durch, trauert
echt und wirklich und würde zusammenbrechen, wenn wir sie mit unserem Verdacht
behelligen. Ist ja auch ein grausiger Gedanke, rückschauend festzustellen, daß
der Liebste ein Massenmörder war. Sie müßte auf sein Grab spucken, auch wenn er
immer nett zu ihr war.“
„Und mit den Eberts war’s auch
nichts“, rief Klößchen. „Weil die jetzt hinter Gittern sitzen wegen der
Beklauung von Küchen-Schröder. 1,6 Millionen Märker. Dazu kommt, was vorher
noch gelaufen ist an Unterschlagung. Gibt’s denn nur noch Kriminelle, wohin man
guckt?“
„Die sind immer noch in der
Minderheit“, grinste Tim. „Aber sie holen auf, verdammt! Tja, bei Frau
Flörchinger sind wir abgeblitzt, und trotzdem sehe ich ein Lichtlein am Ende
des dunklen Tunnels.“
„Das muß eine Halluzination
sein“, lachte Gaby.
„Eher eine Eingebung.“
„Nämlich?“
„Wir gehen die Sache von der
anderen Seite an.“
„Von welcher?“ fragte Gaby.
„Statt die Überlebenden nach
dem Tathergang damals zu befragen — nach dem äußeren Bild, meine ich, das
vielleicht Rückschlüsse zuläßt auf Armin Leipel als Täter — statt dessen suchen
und finden wir die Todesfälle.“
„Einfach so“, sagte Karl.
„Ich habe doch schon
angedeutet, daß wir eine vielversprechende Idee haben — hinsichtlich der
Suche.“
„Von so einer Idee ist mir
nichts bekannt“, meine Klößchen.
„Sie kam mir, während ich auf
die Flörchinger eingeredet habe. Doch davon nachher. Erst mal meine Idee zum
Programmablauf. Wir finden also die Todesfälle. Damit ist dann erwiesen, daß
Leipel seine Ex auslöschen wollte. Warum dies? Haß allein reicht nicht als
Motiv. Denn er hätte sie ja auch enterben können. Tut er aber nicht, weil sie —
wie er ja sagte — was gegen ihn in der Hand hat. Das Druckmittel. Also muß er
erst mal ihr alles vermachen, sie dann aus dem Grab heraus beseitigen, damit
der warme Regen auf Susanne Kühnert niederrauscht, die das sicherlich verdient
und im übrigen völlig ahnungslos ist. Aber — und genau da, Gaby, könnte,
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