Opfer fliegen 1. Klasse
Sie falle, Frau Flörchinger, aber daß sich Frau Kühnert
deshalb keine Sorgen machen solle, denn bald gehöre doch alles ihr.“
Stille.
Im Garten waren Spatzen zu
hören.
Dann sagte die Flörchinger:
„Wartet mal, ich lasse euch rein.“
Das Fensterchen wurde
geschlossen, und die Tür schwang auf.
18. Ein unerfreuliches Gespräch
Sie war mittelgroß, trug ein
kurzes, enges Kleid, hatte muskulöse Beine und bewegte sich rasch. Ein
schwarzer Kurzhaarschnitt, eine erstaunlich niedrige Stirn, hellblaue kalte
Augen, das Gesicht im ganzen nicht unhübsch, aber gierig und hart. Sie mochte
Ende Vierzig sein. Sie gefiel Tim überhaupt nicht.
Auch Gabys Miene drückte wenig
Begeisterung aus. Wie Karl und Klößchen reagierten, bekam der TKKG-Häuptling
nicht mit, weil sie hinter ihm standen.
„Also bitte herein!“ sagte die
Flörchinger. „Aber der Hund bleibt draußen.“
Die Kids rührten sich nicht.
„Nun gut. Ist er stubenrein?“
„Oskar ist reinlicher als die
meisten Menschen“, erwiderte Gaby.
„Flöhe?“
„Natürlich nicht.“
Oskar widerlegte das, indem er
sich mal wieder auf die Hinterkeulen niederließ und dann grunzend und ächzend
hinter einem Ohr kratzte.
„Er kratzt keinen Floh“,
erklärte Gaby rasch, „sondern vermutlich eine Zecke. Ich muß ihn nachher gleich
untersuchen.“
„Zecken?“ Die Flörchinger
reagierte entsetzt. „Die übertragen Krankheiten.“
„Im Prinzip weniger als ein
Mensch“, sagte Tim. „Außerdem sind die Zecken hier in unserer Gegend noch nicht
infiziert.“
Trotz dieser beruhigenden
Versicherung hielt sich Irene Flörchinger während des folgenden Gesprächs zwar
einerseits von Oskar fern, ließ ihn aber andererseits nicht aus dem Auge. Gabys
Liebling hatte sich brav ausgestreckt, schloß die Augen und schien zu schlafen.
Das Gespräch spielte sich in
der weitläufigen Eingangsdiele ab, die eher schon ein Entree war mit Rundbögen
nach drei Seiten, einer in der Nische versteckten Garderobe, dem Gäste-WC und
dem Treppenaufgang zum Obergeschoß.
Alle standen.
Wie ungemütlich! dachte Tim.
Trotz der feinen Umgebung. Aber die Tante hat’s nicht mit uns, sondern will uns
rasch wieder loswerden. Wie eine Witwe sieht sie nicht aus. Keine Spur von
Gram, Kummer, Trauer. Immerhin hält sich die Dame kerzengerade. Wohl wegen der
Bandscheiben. Außerdem verbessert Schwimmen die Haltung. Sieht man ja an Pfote.
Schwimmen ist auch ihr Lieblingssport, und verglichen mit meiner Süßen ist ein
Topmodel ein Fragezeichen.
„Was soll Armin gesagt haben?“
fragte Irene Flörchinger.
Tim wiederholte das Zitat
sinngemäß.
Irenes Blicke wieselten. „Damit
kann ich nichts anfangen.“
„Er hat außerdem gesagt, Sie
wären ein Mistweib. Sie hätten ihn in der Hand. Sie könnten ihn zerquetschen,
er müsse springen, wenn Sie pfeifen.“
Hoffentlich, dachte Tim, habe
ich das sensibel genug ausgedrückt. Hah, offenbar nicht. Sie ist
zusammengezuckt und wird käsig bis zum niedrigen Haaransatz.
Die Frau schluckte.
Und jetzt packen wir sie,
dachte Tim, an der verwundbaren Stelle.
„Sie wissen doch“, unterstellte
er, „von dem Flugzeugabsturz bei Malakaputtschino von vor fünf Jahren. Es gab
22 Überlebende, darunter Ihren Ex-Gatten.“
„Ich weiß“, sie nickte. „Die
Überlebenden treffen sich regelmäßig. Heute abend ist es wieder soweit. Das
Treffen im Hotel,Königssohn 1 .“
„Exakt.“
„Heute werde ich dort
hingehen.“
„Aber Sie gehören doch nicht zu
der Runde.“
„Das nicht. Aber ich will diese
Frau Kühnert kennenlernen, die du erwähnt hast. Ich weiß, daß sie sich bei
Armin einige Vergünstigungen erschlichen hat, und will mit ihr reden.
Vielleicht kann man sich gütlich einigen. Sonst haben die Anwälte das Wort.“
„Wir verstehen“, sagte Tim.
„Aber ich muß noch was zu Malakaputtschino sagen. In der Maschine verunglückten
auch der Bruder Ihres Ex-Mannes, Roland Leipel, dem der größte Teil der Firma
gehörte. Nun haben wir Informationen gesammelt und uns eine Theorie
zusammenkombiniert, die Abgründe öffnet. Aber so ist es nun mal, wenn man zu
tun hat mit schlechten Menschen. Ich meine Folgendes: Ihr Ex-Mann könnte — ich
sage, könnte! — der Täter sein. Eine Bombenexplosion brachte die Maschine zum
Absturz, vermutlich TNT. Ihr Mann hatte ein Motiv. Er wollte seinen verhaßten
Stiefbruder umbringen. Und hätte dann die Firma für sich. Dabei nahm er
billigend in kauf, wie es so heißt bei Gericht, daß 148
Weitere Kostenlose Bücher