Opfere dich
Käsesandwich“, erklärte er und holte ein zweites Zellophanpäckchen aus seiner Tasche, die er dann wieder unter seinen Tisch schob. „Hab ich dir mitgebracht. Bei all dem Kaffee musst du auch ab und zu etwas essen.“
„Danke.“ Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und packte das Sandwich aus, obwohl es sie viel mehr nach einer Zigarette gelüstete. Aber die musste warten, weil das gesamte PD eine rauchfreie Zone war und sie keine Lust hatte, der Presse in die Hände zu fallen, wenn sie zum Rauchen vor die Tür ging.
„Komm zu mir, sei mein letztes Opfer. Dann werde ich mein grausames Schlachten einstellen.“ Dieser Satz hallte ständig in ihr wider. Das war doch verrückt! Wie konnte der Wachsmörder so einfältig sein und glauben, sie würde auf sein Angebot eingehen? Und wie wollte er ihr garantieren, dass er dann wirklich das Töten aufgab? Serienkiller konnten nicht aufhören, sie waren süchtig nach dem Kick, den ihnen das Morden verschaffte. Oder dachte er das vielleicht gar nicht? Wollte er sie nur mit dem Dilemma quälen, dass sie die Frauen von Fort Twistdale schützen konnte, wenn sie ihr Leben für sie gab?
Storm schrak zusammen, als die Tür aufgerissen wurde. Officer Benhurst, ein drahtiger junger Kerl, der täglich zwanzig Kilometer mit seinem Rennrad fuhr und dessen Eltern sich einen Spaß daraus gemacht hatten, ihn ausgerechnet Ben zu taufen, steckte seinen Kopf ins Büro. Mit seinen sechsundzwanzig Jahren war er der Grünschnabel in der Soko „Wachsmörder“. Seine strahlend blauen Augen machten alle Frauen verrückt, aber Storm konnte mit Schönlingen nichts anfangen. Schöne Männer waren ihrer Meinung nach meist oberflächlich, weil sie sich nicht bemühen mussten, sondern ihnen die Herzen von alleine zuflogen. Ihnen fehlte die charakterliche Tiefe, die nur heranreifen konnte, wenn man zurückgewiesen wurde und kämpfen musste. Außerdem aß man von einem schönen Teller nie alleine. Warum dachte sie überhaupt über ihn nach?
Er tippte mit dem Finger auf seine Armbanduhr. „Die Soko trifft sich in fünf Minuten im Besprechungszimmer in der Zweiten.“
„Dem Großen mit dem High-Tech-Schnickschnack?“, fragte Malcolm und hob erstaunt seine Augenbrauen.
Benhurst nickte. „Anweisung von Lobster. Wir brauchen den Beamer dort. Die Digicam aus deinem Haus“, er schaute Storm an, „sie hat gar nicht aufgezeichnet. Kannst beruhigt sein.“
„Hat sie nicht?“ Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Doch da war ein unwohles, dunkles Gefühl in ihr, das sie erahnen ließ, dass diese neue Information trotz Erleichterung nichts Gutes verhieß. Der Serienkiller hatte wohl kaum vergessen, den Aufnahmeknopf zu drücken.
Verhalten schüttelte er den Kopf. „Aber im Speicher der Kamera hat das Labor einen Film gefunden. Er soll sehr unappetitlich sein. Also, ich weiß nicht, ob du das Sandwich vorher essen solltest. Und …“ Er zögerte.
„Und was?“ Sie wappnete sich für das, was er nun sagen würde.
Benhurst druckste herum. Schließlich rückte er mit der Sprache heraus: „Er hat eine Nachricht für dich hinterlassen. Der Killer. Die Aufzeichnung ist eine Botschaft an dich.“
Ihr Magen rebellierte. Der Kaffee schmeckte plötzlich sehr bitter. Sie legte das Sandwich auf das Zellophan und schob es weit von sich weg.
4.
Commissioner Lombard stand vor dem Team der Sonderkommission, das sich aus Storm, Malcolm, Patterson, Benhurst und sechzehn anderen Detectives und Officern zusammensetzte, und schaute über den Rand seiner Brille jedem Einzelnen ins Gesicht. „Ich werde keinen zwingen, sich die Aufzeichnung anzusehen. Sie geht an die Nieren, und ich möchte nicht, dass einer von euch das Handtuch wirft. Aber wir sind nun mal Ermittler und müssen jedem Hinweis nachgehen.“
Niemand stand auf und verließ den Raum. Alle blieben sie auf den unbequemen Freischwingern sitzen und wichen dem bohrenden Blick des Polizeichefs aus.
Lobsters Gesicht leuchtete an diesem Vormittag extrarot, wie ein Kürbis. Sein Blick traf Storm. „Halten Sie das aus? Sie müssen sich das nicht antun. Nachher bekommen Sie noch Alpträume, weil Sie sich zu sehr in das Opfer hineinversetzen.“
Durch solche Bemerkungen fühlte sie sich nicht gerade besser, denn auch wenn er es nicht aussprach, ließ sich die Bemerkung so fortsetzen: „Eines Tages könntest du vom Killer eine Wachsmaske verpasst bekommen.“ Herzlichen Dank auch. Aber sie wollte unter allen Umständen verhindern, dass die Angst in ihr
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