Oracoli (German Edition)
dem Studium, da wurde er einberufen. Ulf machte seine Grundausbildung in Rheine und war erst sechs Wochen dabei, als er vom Dienst an der Waffe freigestellt wurde. Die Nazis brauchten dringend Chemiker, und er wurde nach Leuna abkommandiert. Bis 1944 diente er als Leutnant für die IG-Farben in den Leuna-Werken. Von 1944 bis 1945 war er in Polen. Dort ist er in einer Chemiefabrik eingesetzt worden, die zu 46% der IG-Farben gehörte. In dieser Fabrik wurde das Insektengift Zyklon-B. produziert. Cora las dahinter in Klammern, dass Ulf keinen blassen Schimmer davon hatte, für wen das Gift in Wirklichkeit gedacht war. Es war nicht seine Schrift.
Nach dem Krieg heiratete er seine Verlobte Bärbel Klostermann, die er 1944 während eines Heimaturlaubs kennen lernte. Cora betrachtete ihre Bluse und schüttelte sich, als sie das las.
1945 kam Roland auf die Welt und Ulf hatte keine Arbeit. In seiner Not stellte er verschiedene Chemikalien in seinem Keller her, die er auf dem Schwarzmarkt verkaufte: Düngemittel für die Bauern, Schießpulver für die jagenden Bauern und Haarfärbemittel für die Frauen der Bauern. Die Bauern waren die einzigen Leute in diesen schweren Zeiten, die Geld und Lebensmittel besaßen.
1946 wurde Ferdinand geboren. Dank der Bauern brachte Ulf sich und seine kleine Familie gesund durch die Nachkriegsjahre.
1950 fand er endlich in einer Farbenfabrik Arbeit und war glücklich.
1963 brannte die Fabrik bis auf die Grundmauern nieder. Das Feuer entstand durch ein defektes Kabel. Es geschah an einem Sonntag und niemand war da, der es hätte löschen können. Die Firma war unterversichert und damit ruiniert. Ulf Stark war nun 45 und zum zweiten Mal arbeitslos. Er hatte wieder Zeit für Experimente. Ulf war ein begnadeter Hobbykoch, und so kam es, dass er irgendwann auch mit Saucen experimentierte und ständig neue erfand. Speziell Spaghetti Saucen. Dann überraschte er seine Familie mit einer Sauce, die umwerfend lecker war und das Leben der Familie grundlegend verändern sollte. Um das Arbeitslosengeld aufzustocken, stellte er mit seiner neuen Kreation Fertiggerichte her und verkaufte sie an die Italiener, die in der Werft seines längst verstorbenen Vaters arbeiteten. Er machte kleine Pakete fertig, deren Inhalt, selbst gemachte Nudeln, in Folie verpacktes Tomatenmark, zu Pulver geriebener Parmesankäse und die Würzmischung waren. In jeder Packung legte er die Anleitung für die Zubereitung. Ulf tippte sie mit einer alten Schreibmaschine in Deutsch und Italienisch.
Die von Heimweh gequälten Leute waren begeistert. Seinerzeit gab es in Deutschland nicht einmal Nudeln zu kaufen und da kam dieser Deutsche und beglückte die Männer mit einem kompletten italienischen Gericht. Den Hartkäse ließ er sich von Italien-Touristen mitbringen, die er in verschiedenen Reisebüros kontaktierte. Er nannte sein Gericht Orácoli. Das Fertiggericht wurde so populär, dass auch die deutschen Arbeiter das Gericht probierten und seine Stammkunden wurden. Italien war derzeit in, fast jeder, der in den Urlaub fuhr, besuchte das schöne Land. Und er brachte mit seinem Gericht ein wenig Italien nach Deutschland. Schließlich belieferte er einige Lebensmittelläden in seiner Stadt mit Orácoli und bekam schnell Lieferschwierigkeiten.
Sein Erfolg sprach sich herum und wurde Futter für die Presse. Nachdem einige Zeitungen über ihn berichteten, erhielt Ulf einen Brief von der Firma Maggi. Die Firma bot ihm eine 5stellige Summe für sein Rezept an, er aber lehnte das Angebot höflich ab. Ulf Stark machte sich selbstständig und kaufte sich von seinem ersparten Geld eine Scheune. Drei Monate später stellte er seine Söhne ein und die Erfolgsgeschichte nahm ihren Lauf.
1965 gründete er dann den Standort für die Logistik in Dortmund. Die Bierstadt lag günstiger als Bremerhaven, von dort konnten die Kunden wirtschaftlicher beliefert werden. Im Ruhrgebiet lebten auch mehr Italienische Gastarbeiter, die er schließlich als Kunden gewann. Von Dortmund aus machte er sein Produkt europaweit bekannt.
1966 kaufte Ulf Stark seinen fünften Lastwagen.
1968 wurde aus dem Logistikzentrum der Hauptsitz der Firma. Cora war beeindruckt. Sie blätterte die alten Bilanzen durch und nach einer Weile fand Cora, was sie im Moment mehr interessierte als die Firmengeschichte ihres Chefs. Am 14. Februar 1965 kaufte Ulf Stark einen gebrauchten Tresor.
Marke Stahlknecht, Modell 59, gebaut und
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