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Orchideenstaub

Orchideenstaub

Titel: Orchideenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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nun Wellen von Falten auf. „Da war so ein Zettel, der neben meiner Frau lag. Aber wahrscheinlich ist er aus einer Tüte gefallen.“
    „Was für ein Zettel?“ Er selbst hatte keinen Zettel neben der Leiche gesehen.
    „Na, so ein kleiner Papierstreifen mit einem Sprichwort oder Ähnlichem drauf. Er sah so aus, wie diese kleinen Zettel in den chinesischen Glückskeksen, nur dass er handschriftlich geschrieben war.“
    „Haben Sie den Zettel angefasst?“
    „Ja, natürlich.“
    Sam entschuldigte sich und trat in den Gang hinaus, der immer noch voller geschäftiger Menschen war. An der Wand lehnte Edgar Vargas und unterhielt sich mit der Gerichtsmedizinerin. In seiner Hand hielt er eine durchsichtige Schutzhülle mit einem Schnipsel darin. Sam ging schnurstracks auf die beiden zu und unterbrach ihr Gespräch. „Ich nehme an, das ist der Zettel, den Sie bei der Leiche gefunden haben?“
    Vargas hielt Sam die Plastikhülle baumelnd vor die Nase. „Richtig geraten. Ist auf Deutsch, Polnisch oder was weiß ich, aber das können Sie uns ja sicherlich gleich sagen.“
    Sam sah sich den Zettel an und zog die Stirn kraus, während er die mit roter Tinte handschriftlich geschriebenen Zeilen las. „Ein Spruch?“
    „Wenn Sie es sagen, wird es wohl so sein“, erwiderte Vargas gleichgültig. „Was steht denn drauf?“
    Sam gab Vargas die Schutzhülle zurück und konterte lächelnd: „Ich bin sicher Ihre Spezialisten werden Ihnen da weiterhelfen können.“ Mit diesen Worten drehte er sich auf dem Absatz um und ließ einen verblüfften Vargas einfach stehen.
    Hatte der Täter ihnen eine Spur hinterlegt, oder hatte das Zettelchen gar nichts mit dem Fall zu tun und war nur aus einer der Tüten gefallen? Doch daran wollte er nicht so recht glauben. Sam ging wieder zurück ins Zimmer. Dr. Rewe hatte sich nicht vom Fleck gerührt. Seine Augen waren rot.
    „Sagen Sie, Dr. Rewe sind Sie auch in der Forschung tätig?“
    „Nein.“
    „Ihre Frau vielleicht?“
    „Nein, sie war Hausfrau. Warum?“
    „War nur eine Frage. Kann es sein, dass Ihre Frau selbst gern gedichtet hat?“
    Dr. Rewe sah Sam ungläubig an. „Meine Frau und dichten? Nein. Dafür hat sie ein Vermögen für diese grauenhaften Frauenzeitschriften ausgegeben und Artikel verschlungen wie: Wie bringe ich am besten und schnellsten das Geld meines Mannes unter die Leute.“ Plötzlich verlor der Mann seine hanseatische Haltung und klappte in sich zusammen wie ein brüchiges Stahlgerüst, dass das eigene Gewicht nicht mehr halten konnte. Er weinte und brabbelte etwas von irgendwelchen Freundinnen seiner Frau vor sich hin.
    Nach den letzten Worten des Arztes wusste Sam, dass er wieder in die Stadt fahren musste, die er in Zukunft hatte meiden wollen. Hamburg. Hamburg, wo er Lina kennengelernt und beerdigt hatte.
     
    Carmenza García Alvarez stand zitternd vor Sam und spielte nervös an den kleinen Plastikknöpfen ihres Kittels herum. Sie arbeitete nun seit zehn Jahren als Zimmermädchen und hatte schon so einiges miterlebt. Sie hatte blutbefleckte oder mit anderen Körperflüssigkeiten beschmutzte Bettlaken ausgewechselt, Erbrochenes und Urinpfützen weggewischt, menschliche Kothaufen von Teppichen abgekratzt, aber noch nie hatte sie ein Zimmer betreten und eine Leiche darin gefunden.
    „Señora, wie oft werden die Zimmer am Tag vom Personal betreten?“
    „Kommt darauf an. Die Frühschicht reinigt die Zimmer, meist sind gegen Mittag alle fertig. Die Spätschicht macht die Nachzügler, bringt nach Bedarf noch einmal neue Handtücher, macht die Betten für die Nacht einstiegsbereit und legt den Gästen eine Schokolade aufs Kissen.“
    „Der Gast von Zimmer 34601 hatte seine Karte vergessen und Sie gebeten sein Zimmer aufzumachen …“
    Die etwa fünfunddreißigjährige Frau fing plötzlich an zu weinen und verbarg ihr Gesicht in den rissigen Händen, die offenbar jahrelang mit scharfen Putzmitteln und Wasser in Berührung gekommen waren. Schluchzend sagte sie: „Das ist nicht erlaubt. Dafür werden sie mich kündigen.“
    Sam wusste nicht, was er erwidern sollte. Ihm tat die kleine Frau leid, die mit Sicherheit zwei Kinder oder mehr zu Hause zu versorgen hatte und ihren Job verlieren würde, nur weil sie Dr. Rewe einen Gefallen getan hatte. Auf der anderen Seite konnte sich so jeder unbefugt Zutritt zu den Zimmern verschaffen und ein Verstoß gegen die Sicherheitsregeln musste bestraft werden, damit es nicht wieder vorkam.
    „Die Tat geschah im oberen Stock

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