Orchideenstaub
starten würde. „Früher hast du mich auf diese Kongresse immer mitgenommen“, sagte sie beleidigt.
Da war er wieder. Dieser vorwurfsvolle Ton. „Ja, früher war alles anders, Schatz.“
„Was soll das nun wieder heißen? Wie meinst du das?“
Er sah demonstrativ auf seine Uhr. „Ich habe jetzt keine Zeit mit dir ein Streitgespräch zu führen. Mein Flieger geht in zwei Stunden.“
„Wie heißt sie?“
Die Frage kam für ihn überraschend. Genauso überraschend wie der Golfball, der ihn vor drei Wochen knapp unter dem Auge getroffen hatte. Für einen Moment hatte er nur schwarz gesehen, war wie weggetreten gewesen, aber stehen geblieben. Ein Kollege hatte ihn gestützt bis alles wieder an seinem Platz war, die Farben wiederkamen. „Hör auf“, sagte er knapp und wusste, dass sie keine Ruhe geben würde.
„Wie heißt sie?“, fragte Hannah erneut.
„Es gibt niemanden. Sieh mich doch an, meinst du mich findet noch jemand attraktiv? Ich bin ein alter Mann.“
„Ach, es gibt genug Frauen, die allein deinen Beruf attraktiv finden. Die interessiert es dann nicht, ob ein alter Mann mit dicker Plauze auf ihnen draufliegt. Hauptsache die Brieftasche stimmt.“
Hannah drehte sich um und griff wieder zum Staubsauger. Sie wusste ganz genau, dass er nicht alleine fuhr. Sie hatte seine Taschen durchwühlt und die zwei Tickets gefunden. Männer waren so dumm. Wenn es drauf ankam, versagten sie auf der ganzen Linie. Katarin Gromowa, das war der Name der Frau, die ihren Mann nach Paris begleiten würde.
6.
PARIS Katarin Gromowa war mit zweiundzwanzig Jahren als Au-pair Mädchen nach Deutschland gekommen und hatte mit dreiundzwanzig den erstbesten deutschen Idioten geheiratet, damit sie nicht wieder zurück in die Ukraine musste. Die Ehe hielt zwei Jahre, bevor sie geschieden wurde. Sie sprach ein fast akzentfreies Deutsch, auf das sie sehr stolz war. Nur das rollende R verriet gelegentlich ihre ukrainische Herkunft. Sie hatte lange blonde Haare und einen anmutigen Körper, für den sie nicht einmal etwas tun musste. Kein Sport, keine Diäten.
Mit ihrer erfrischenden und unkomplizierten Art lernte sie leicht und schnell Männer jeder Schicht kennen, wobei sie ihr ganzes Augenmerk eher der betuchten widmete. Sie wollte nicht wieder den gleichen Fehler machen und einen armen Schlucker heiraten, der ihr nichts bieten konnte.
Vor zwei Jahren hatte sie mit einem Kunststudium angefangen, inzwischen aber die Lust daran verloren. Das einzig Gute war, dass sie noch einen Studentenausweis hatte, über den sie gelegentlich Ermäßigungen bekam.
Vor einem halben Jahr hatte sie nach einer Affäre mit einem Schauspieler, der sie nur als „Betthupferl“ benutzt hatte, in einem Café als Kellnerin angefangen und genau in diesem Café in der Innenstadt von Düsseldorf sollte ihr Schicksal seinen Lauf nehmen. Sie lernte Harry Steiner kennen.
Harry hatte gleich am ersten Tag ein Auge auf sie geworfen. Aber er war schüchtern und zurückhaltend und traute sich nicht, sie anzusprechen. Am Anfang kam er jeden dritten, dann jeden Tag, bestellte einen Espresso und ein Wasser dazu und wenn er bezahlte, gab er ihr ein paar Euro Trinkgeld. Viel zu viel, dachte sie jedes Mal und bedankte sich mit einem leisen Dankeschön und einem verführerischen Lächeln. Sie konnte jeden Extraeuro gebrauchen. Irgendwann wechselten sie ein paar Worte miteinander und Harry Steiner brachte schließlich den Mut auf, sie zum Essen einzuladen. Sie nahm an. Danach entwickelte sich alles rasend schnell. Sie verführte ihn nach allen Regeln der Kunst und seit diesem Tag war er ihr mit Haut und Haaren ergeben. Er mietete ein schickes Apartment für sie, kaufte ihr Kleider, teuren Schmuck und behandelte sie mit Respekt - wie es noch nie jemand zuvor getan hatte.
Harry hängte sorgfältig seine Hemden und einen Anzug in den Schrank, während Katarin sich in der geräumigen Empire-Suite des George V Hotels umsah. An der Rezeption hatte man Harry für seine exklusive Wahl gratuliert und ihm erklärt, dass dieses Zimmer eine Hommage an Napoleon und seine Gattin Josephine wäre. Der Blick auf die Skyline von Paris und den Eiffelturm war fantastisch, aber die Einrichtung fand Katarin spuckehässlich. Skulpturen, verzierte in grün gehaltene Sitzmöbel, Samtkissen und auch den Kunstwerken an den Wänden konnte sie nichts abgewinnen. Zu dunkel, zu viel Pomp, dachte sie und schmiss sich aufs Bett.
„Was möchtest du als Erstes machen,
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