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Orchideenstaub

Orchideenstaub

Titel: Orchideenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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Meter neunzig groß und sehr schlank. Er trug eine Jeans mit Bügelfalte, braune elegante Halbschuhe und unter einem dunkelblauen Jackett – vermutlich Kaschmir - ein hellblaues Hemd mit Manschettenknöpfen, wovon einer fehlte. Sein hellbraunes dünnes Haar war rechts gescheitelt und am Hinterkopf hatte er einen Wirbel, der ein paar unbändige Haare zum Stehen brachte und sie, wie kleine Antennen aussehen ließen. „Ihnen fehlt der linke Manschettenknopf, Dr. Rewe.“
    Dr. Rewe verdrehte den Arm, um besser sehen zu können und war sichtlich überrascht. „Oh, ich muss ihn irgendwo verloren haben. Heute früh hatte ich ihn noch.“
    Wo mag er ihm wohl abhandengekommen sein?, dachte Sam. Er würde den Tatort noch einmal absuchen, bevor er ging. „Sie sind Gynäkologe?“
    „Ja. Warum fragen Sie? Meinen Sie, das war die Tat eines Gynäkologen? Wollen Sie behaupten …“
    „Dr. Rewe, ich will gar nichts behaupten. Ich versuche diese Tat zu verstehen“, unterbrach ihn Sam gereizt.
    „Na, da sind Sie nicht der Einzige.“
    Der Arzt war mit seiner Untersuchung fertig und packte seine Gerätschaften wieder ein. Er gab mit einem Nicken Sam unmissverständlich zu erkennen, dass dem Patienten nichts fehlte.
    „Fahren Sie immer mit Ihrer Frau auf Kongresse?“
    „Nein, das haben wir seit Jahren nicht mehr gemacht. Wie ich schon sagte, eigentlich wollte ich alleine fahren“, erklärte er und wischte sich über die Augen, die sich jetzt mit Tränen füllten.
    Sam sah aus dem Fenster. Er ließ dem Mann Zeit, sich wieder zu fassen. „Dieser Kongress. Darf ich fragen, welches Thema dort behandelt wird?“
    „Dieses Jahr lag der Schwerpunkt auf Brustkrebs. Hormone, die auslösend wirken könnten. Brustamputationen und ihre Folgen sowie Therapien, die die Folgen der schweren Behandlungen erleichtern sollen.“
    Sam dachte an die gleichlangen dünnen Narben unter den Brüsten bei Frau Rewe, die wohl eher von einer Schönheitsoperation stammten und weniger von einem Brustaufbau nach einer Amputation.
    „Dr. Rewe, wann hatten Sie das letzte Mal Sex mit Ihrer Frau?“
    „Gestern Abend. - Mit Kondom, falls Sie das auch noch wissen möchten. Soll ich Ihnen noch die Stellungen sagen, die wir praktiziert haben? Wir haben auch einen Porno gekauft, um uns anzuheizen.“
    Sam atmete tief ein und aus. Er musste Ruhe bewahren und durfte nicht schon am ersten Tag die Contenance verlieren, wie sein Freund Phillipe Argault zu sagen pflegte, wenn der Ruf mal wieder Sam vorausgeeilt war. Dr. Rewe versteckte seine Trauer hinter beißendem Spott. Die Frage war, wie lange er es noch durchhielt, den starken Mann zu spielen. Leider war Dr. Rewe noch nicht aus dem Kreis der Verdächtigen ausgeschlossen, um ihn mit Fragen unbehelligt zu lassen.
    „Als Sie Ihre Frau gefunden haben, ist Ihnen da irgendetwas aufgefallen?“
    Der Mann hielt den Blick gesenkt und schüttelte nur den Kopf.
    „Denken Sie nach, jede Kleinigkeit könnte wichtig sein.“
    Der Arzt nickte einsichtig und Sam sah sich selbst, wie er vor mehr als vier Monaten in Linas tote Augen gestarrt hatte. Obwohl er in seinem Leben dem Tod so oft begegnet war, war er bei ihrem Anblick einfach zusammengeklappt und erst einmal nicht mehr ansprechbar gewesen.
    „Ich konnte meine Karte nicht finden, obwohl ich sicher war, dass ich sie eingesteckt hatte. Ich musste ein Zimmermädchen bitten, mich einzulassen.“
    Natürlich konnte das alles so inszeniert worden sein, dachte Sam. Ehemann tötet Frau, verlässt den Tatort und kommt mit einem Zimmermädchen als Zeugin wieder.
    „Zum Glück habe ich gute Beziehungen. Ein Freund hat einen Bekannten beim BKA, und der hat jemanden von Europol angerufen. Ich spreche kein Spanisch, wissen Sie.“
    Das erste Mal sah Dr. Rewe Sam direkt an. Aber es schien ihn nicht weiter zu tangieren, dass er nicht wie ein geschniegelter Beamter, sondern eher wie ein Junkie aussah, mit seinen dunklen Augenringen und seiner wenig eleganten Kleidung. Da lag also der Hund begraben, dachte Sam. Peter Brenner hatte ihn angerufen, weil er jemanden noch ein Gefallen schuldete und nicht, weil er ihn wieder im Einsatz haben wollte. „Es ist Ihnen also nichts Außergewöhnliches aufgefallen? Was ist mit Schmuck? Ist irgendetwas abhandengekommen?“
    „Das weiß ich nicht. Ich weiß ja nicht einmal, was sie alles mitgenommen hat.“
    Sam erhob sich, er wollte sich das Zimmermädchen vornehmen, als Dr. Rewe sagte: „Warten Sie, da war doch etwas.“ Seine hohe Stirn wies

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