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Orchideenstaub

Orchideenstaub

Titel: Orchideenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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Papier noch ein paar Mal hin und her, bis auch der letzte Punkt getrocknet war, und legte es in einen goldenen dünnen Rahmen. Als die Urkunde neben ein paar anderen schließlich an der Wand hinter ihm hing, klopfte es.
    Julietta, die Angestellte, steckte ihren Kopf durch die Tür. Das Essen war fertig. Die Dreizehnjährige machte ihm schon seit geraumer Zeit schöne Augen und gab immer wieder vor, Wehwehchen zu haben. Gestern war sie in seine Praxis gekommen, hatte sich nackt vor ihm ausgezogen und ihn gebeten, sie eingehend zu untersuchen, was er dann auch tat. Sie sah hübsch aus, hatte eine passable Figur und herrlich weiche Haut. In der Nacht war er in ihr Zimmer gegangen und hatte sie entjungfert. Nach Monaten der Enthaltsamkeit war das ein berauschendes Gefühl gewesen.
    Er drehte sich noch einmal zu den drei Urkunden an der Wand um. Doktor der Frauenheilkunde, Allgemeinmedizin und Chirurgie . Keiner dürfte je erfahren, dass er niemals Medizin studiert und sein Halbwissen nur aus Büchern hatte.

7.
     
     
     
    HAMBURG   Zum dritten Mal las Sam nun den Obduktionsbericht und fragte sich, in welche seelischen Untiefen er sich dieses Mal stürzen musste, um zu verstehen, was diesen Täter getrieben hatte. Er musste Jasmin Rewe um halb drei direkt nach ihren Einkäufen überrascht und überwältigt haben. Während ihr Mann mit einem Kollegen Essen war, hatte er sich gute zweieinhalb Stunden Zeit für seine Arbeit an Frau Rewe gelassen. Sie war über den Badewannenrand gelegt und ihre Hände mit einem Bademantelgürtel an einem Griff an der Wand befestigt worden. Reste einer Acrylatdispersion an der Wange deuteten daraufhin, dass er ihr den Mund mit einem Klebeband zugeklebt hatte. Erst dann hatte er sie entkleidet und sich langsam mit einem Skalpell Zugang zur Wirbelsäule verschafft. Sie freigelegt. Die Wirbelsäule, das Achseorgan des Menschen, die ihn aufrecht hält, ihn beweglich macht und das empfindliche Rückenmark schützt.
    Das alles hatte die Frau bei vollem Bewusstsein erleben müssen, wenn sie nicht vor Schmerzen ohnmächtig geworden war. Anschließend hatte er mit einem Bolzenschneider angefangen, die unteren Wirbel zu durchtrennen. Wieder überlief ihn eine Gänsehaut. Er war ein schmerzempfindlicher Mensch und er wollte sich nicht ausmalen, was für Qualen die Frau erlitten haben musste. Bei der Obduktion hatte man noch etwas anderes festgestellt, das Sam wie ein Fremdkörper in dem Ganzen vorkam. Damit war die Todesursache nicht ganz eindeutig.
    Er hielt die Farbkopie mit etwas Abstand von sich, damit er die zwei roten handgeschriebenen Zeilen besser lesen konnte.
     
    Doch wem gilt das Forschen, das endlose Leid.
    Ob Spender, Empfänger, es heilt keine Zeit.
     
    Dr. Rewe hatte nichts mit Forschung zu tun. An wen also waren diese Zeilen gerichtet? Die Vermutung, dass der Zettel nur aus Zufall dort herumlag, war schnell widerlegt worden, weil sich sonst mit großer Wahrscheinlichkeit auch Jasmin Rewes Fingerabdrücke oder die eines anderen darauf befunden hätten. Das war aber nicht der Fall. Lediglich die ihres Mannes hatte man darauf entdeckt, doch dieser hatte wiederholt bestätigt, dass er ihn nur kurz angefasst hätte, weil er dachte, es wäre eine Nachricht seiner Frau gewesen.
    Sam sah auf die Uhr. Der Kollege, der ihm hier unter die Arme greifen sollte, war spät dran. Unpünktlichkeit war eine Eigenschaft, die er nicht ausstehen konnte und bereits einen ersten Schatten auf die Zusammenarbeit warf. Er erhob sich aus dem ledernen Stuhl, der in der Ecke eines Büros auf dem Hamburger Polizeirevier stand, um sich einen Kaffee zu holen, als er im Türrahmen mit jemandem zusammenstieß.
    „Da bist du ja.“ Juri Pompetzki hielt Sam an beiden Armen fest, dann drückte er ihn an sich und sagte freudestrahlend: „Mensch, Sam, lange ist´s her. Ich freue mich richtig, dich wiederzusehen.“
    „Hat nichts gebracht, sich tot zu stellen, was?“
    Juris Gesicht wurde ernst. „Sie haben dir anscheinend nichts gesagt.“
    „Nein“, entgegnete Sam und lächelte.
    „Sollte wohl eine Überraschung sein. Hoffe du hast nichts dagegen, dass du mich wieder am Hals hast.“
    „Aber eines musst du mir versprechen. Keine Blind Dates, keine Weibergeschichten und …“ Sam sah provokativ auf die Uhr „keine Verspätungen.“ Dann hielt er ihm die Hand hin und Juri schlug mit gespieltem Bedauern ein.
    Sam hatte mit dem jungen Kollegen aus Hamburg vor etwa anderthalb Jahren einen äußerst prekären Fall

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