Orient-Express (German Edition)
Morgen mit beträchtlichem Tamtam, die Sonne steht uns im Rücken, die Schatten sind unglaublich lang und enden in hellen Lichtkronen. Ritt gemeinsam mit dem dicken Scheich, der aus seinen Satteltaschen immer neue Hühnchenkeulen hervorholte. In unserer Karawane besteht folgende Ordnung: Die einzelnen Gruppen reiten separat los, Jassems Trupp gewöhnlich zuerst, und bilden allmählich eine Linie, und sobald die Granden sich den Schlaf aus den Augen gerieben haben und die Sonne ihre Dromedare zum Leben erweckt hat, reiten sie voran. Ein, zwei Agail kann man immer bei ihren Erkundungen auf den steinigen Hügeln am Horizont sehen. Mittags versammeln sich die Granden um Kochtöpfe mit Reis und trinken Kaffee, während die Karawane weiterzieht, die sie im Laufe des Nachmittags wieder einholen.
Heute Abend kampieren wir in einer flachen Senke, bedeckt mit kleinen aromatischen Pflanzen, Schih und Ruetha. Ruetha, wahrscheinlich das wohlriechende Kraut, von dem Xenophon in seiner Anabasis wiederholt berichtet, scheint den Kamelen ganz besonders zu schmecken. In der Regenzeit muss es hier viel Wasser geben. Übrigens scheint die Regenzeit bevorzustehen, da sich im Norden mächtige Regenwolken auftürmen, worüber alle hocherfreut sind, denn hier sagt man, dass ein Tag Regen reichlich Nahrung für die Kamele bedeutet. Und außerdem bleiben die Badawi dann in ihren Zelten.
Saß im Zelt des Sajjid, ungeachtet der Vorwürfe von Bagdad-Saleh – «Sajjid verdammter Lockervogel», was immer das heißen mochte –, und trank Tee mit Kondensmilch, die ich dem Sajjid in einem Moment von Überschwang geschenkt hatte, und hörte Suleiman zu, dem Mann, der mit «Hilleby» im Nedschd gewesen war und nun auf einer winzig kleinen Laute klagende Melodien spielte.
Sechster Tag . Enteuthen exelaunei 28 etliche Parasang 29 , wie es aussieht, in eine Hochebene hinauf. Der Trampelpfad, über Jahrhunderte von Kamelfüßen ausgetreten, wand sich um rosafarbene, gelegentlich mit Trockenpflanzen gesprenkelte Felssimse. Einmal kamen wir an den üblichen Skeletten vorbei. In einer Schlucht fanden wir die Spuren eines Ford, Leachmans Auto, wie mir erklärt wurde. Leachman wurde während des Aufstands vom Sohn eines alten Mannes erschossen, den er beleidigt hatte. Schließlich ein schöner Lagerplatz am Rand einer Senke, wo das trockene Schih hüfthoch stand. Als wir unsere Kamele festbanden, stürzten drei Karnickel aus ihrer Deckung, großes Hallo, und jeder knallte munter darauflos.
Nachmittags vorbei an einem kleinen eckigen steinernen Turm.
Ging nach dem Abendessen, in der Zeit, in der die Kamele heimgebracht werden, nach draußen. Ein Bedawi, den ich schon zuvor auf einem weißen Dromedar gesehen hatte, kam auf mich zu und sagte, er sei ein Freund von Malik Faisal. Wir gingen in die Wüste hinaus, er schnupperte die Luft und sagte, die Wüstenluft sei süß. Sein Name war Nawwaf. Seine Zelte sind in El Gharra, auf halber Strecke nach Damaskus. Ich brachte ihm die Wörter Norden, Süden, Osten und Westen bei, die er sofort perfekt aussprach. Meine Aussprache der arabischen Wörter war dagegen so komisch, dass er lachte, bis ihm die Tränen in die kajalumrandeten Augen traten. Wir tranken dann Kaffee bei den Leuten, die die jungen Kamele nach Syrien bringen, wo sie verkauft werden sollen. Der Hadschi, der alte Herr mit dem Regenschirm, saß am Lagerfeuer und ließ sich über irgendetwas aus.
Bei der Rückkehr in mein Zelt fand ich Bagdad-Saleh und Jassems Jungen vor, die Zigaretten für mich drehten. Sie berichteten von irgendeiner schlimmen Sache, die die Kamele beinahe erwischt hätte, aber so richtig habe ich sie nicht verstanden, außer dass Bagdad-Saleh die Katastrophe mutig abgewendet hat. Wenn Saleh Englisch spricht, ist kaum zu verstehen, was er sagen will, weil er, als ehemaliger Boy im anglo-indischen Militärcamp in Bagdad, die beklagenswerte Vorstellung hat, dass Hindustani und Englisch ein und dieselbe Sprache sind.
Es gibt nichts Schöneres auf der Welt, als keine Uhr und kein Geld zu haben und für nichts verantwortlich zu sein. Wie ein Derwisch oder ein kleines Kind.
Siebter Tag . Das Postflugzeug flog in großer Höhe über uns hinweg. Alle beobachteten es verächtlich und kommentarlos. Furchtbar kalt, Regenschauer klatschen uns ins Gesicht. Alles mehr oder weniger nass. Habe noch nie ein Tier gesehen, das sein Missfallen so deutlich zeigen kann wie Malek im Regen. Bei Sonnenuntergang wird sich inschallah auch der Wind legen.
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