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Orient-Express (German Edition)

Orient-Express (German Edition)

Titel: Orient-Express (German Edition)
Autoren: John Dos Passos
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fuhren mit den Fingern über die Leinwand und meine Abaya und meinen Koffer und fragten, was darin sei, und beim Anblick des silberbeschlagenen Sattels, den El-Suadi mir geliehen hat, funkelten ihre Augen vor Gier. Ich versuchte, sie mit Zigaretten abzuspeisen.
    Schlecht. Ungefähr Mittag. Der Wind gleicht einer Rasierklinge, und das Lager ist in heller Aufregung. Die lustigen Männer von Ibn Kubain haben uns provoziert und unsere Kamele vom Weidegrund getrieben. Von der kleinen Anhöhe mit dem Steinhaufen habe ich sie hinter dem Horizont verschwinden sehen. Leute aus dem Camp liefen herbei und schossen ihnen hinterher, aber die Kubain sind stärker als wir oder zumindest unverfrorener.
    Bagdad-Saleh kam gerade hereingeschlurft, ohne seinen englischen Militärmantel und ohne sein neues rotes Shemagh, sehr niedergeschlagen. «Verfluchte Bedawi haben unsere Kamele gestohlen, Mistbande, verdammte.» Er erklärte, er habe geschlafen, sonst wäre das nie passiert. Sie hätten ihn verprügelt, sein Gewehr, seinen Mantel und sein neues Kopftuch gestohlen. «Bedawi nix gut.»
    Ich machte mich auf die Suche nach Jassem, den ich hinter einigen Ballen Tabak neben einem erloschenen Feuer entdeckte. Er lächelte düster, nickte zum Horizont, machte eine Geldzählgeste und sagte mit Nachdruck fluus, fluus ketir, Geld, viel Geld. Missmutig kehrte ich in mein Zelt zurück. Nun ja, mein Spaziergang war vermutlich ganz gut. Ich würde mich von meinem Koffer und seinem nutzlosen Inhalt trennen müssen. Vielleicht würden wir alle als Sklaven in einer gottverlassenen Oase enden. Solange sie mir meine Brille lassen, dachte ich. Eingewickelt in die Bagdader Decke, lag ich auf dem Feldbett und fror vor mich hin. Molière reizte mich nicht mehr, und Zeichnen erschien mir sinnlos. Sämtliche Himmelswinde pfiffen mir um die Beine. Das Zelt bot so viel Schutz wie ein Sieb. Der bleierne Tag löste sich schon in tumultuarischer Dämmerung auf, als ich von fern ein vertrautes schönes kappaluuup und das Knurren von Kamelen hörte. Sie wurden ins Lager gebracht. Sie kamen eines nach dem anderen in das Lager, reckten zerstreut die Hälse hierhin und dorthin, bis der Raum zwischen den Feuern erfüllt war von ihrem Blöken und Grummeln.
    Dreizehnter Tag . Das Ganze ist eine Farce, die nach bestimmten Spielregeln abläuft. Die Delaim knöpften sich Ibn Kubains Leute vor und brachten die Kamele zurück, und alles ist, wie es vorher war. Wir werden das Schutzgeld bezahlen, und die Delaim werden für ihre Unannehmlichkeiten einen Teil abbekommen. Die Inschallahs, dass wir morgen abreisen, sind ziemlich dünn, weshalb wir vermutlich noch den Rest der Woche an diesem vermaledeiten Ort zubringen werden. Mein einziges Vergnügen ist es, auf dem Steinhaufen zu sitzen und den Herden der Delaim zuzusehen, die langsam durch die gestrüppreichen Täler rings um die Wasserstellen ziehen. Von Molière habe ich genug. Vom Himmel her kämpften die Sterne, von ihren Bahnen stritten sie wider Sisera.
    Gestern Nachmittag, nachdem die Krise beigelegt war, wurde es sehr gesellig im Lager. Grüppchen von Delaim und Fede’an zogen von Lagerfeuer zu Lagerfeuer. Ich saß majestätisch auf meinem Feldbett, und jeder kam in mein Zelt und saß schweigend auf dem Boden. Ich freundete mich mit einem von Ibn Kubains Leuten an, einem jungen Mann, der zwei kleine Zöpfe um die Ohren gewunden hatte. Er zeigte mir sein türkisches Gewehr und sagte, er sei hier der Mann der Osmanen. Aus dem Gefühl heraus, etwas weihnachtliche Stimmung verbreiten zu müssen, verschenkte ich reihum Zigaretten und Tabak. Dem Mann mit den Zöpfchen, der mir so sympathisch war, schenkte ich eine Schachtel Streichhölzer. Woraufhin er sich erbot, mit mir nach Esch-Scham 31 zu gehen oder über das Meer zu fahren oder überallhin. Dann würde ich ihm viele goldene Türkenpfunde schenken. Ich versuchte ihm zu erklären, dass ich ein Fakir sei, ein armer Mann, und kein fluus irgendeiner Art besitze, was er mir aber nicht abnahm. In diesem Moment kam Nawwaf herein. Nun ist Nawwaf ein Freund von Faisal und ein Todfeind der Fede’an, weshalb er sehr verärgert war, mich in freundlichem Gespräch mit einem einfachen Banditen vorzufinden. Ich konnte nicht genug Arabisch, um ihm zu erklären, dass mir diese kleinen, braunen hartgesottenen Männer besser gefielen als die großen, weißen Delaim mit ihren gewachsten Schnurrbärten, obwohl sie Schutzgeld von uns verlangten. Nawwaf ging zutiefst gekränkt davon.
    Ein
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