Orphan 1 Der Engel von Inveraray
als sie mit verklärtem Blick auf ihn herabsah, erkannte er, dass sie bis an die Grenze des Erträglichen erregt war. Um ihr Erlösung zu verschaffen, bewegte er sich auf und nieder.
Genevieves Atem kam nur noch stoßweise.
Er wollte für immer mit ihr verbunden bleiben und mit der Gewissheit einschlafen, dass sie noch da war, wenn er aufwachte. Ich werde mit ihr leben, schwor er sich, lange, besinnliche Tage und leidenschaftliche Nächte mit ihr verbringen. Er würde sie in schöne Kleider hüllen und mit Schmuck überhäufen, nicht, weil sie dies nötig hätte, um ihre natürliche Schönheit zu betonen, sondern weil sie sich viel zu lange selbst hintangestellt hatte, sich in ausgeblichene Kleider mit fransigen Säumen gehüllt und allen Schmuck, den sie einst getragen haben mochte, verkauft hatte, um Geld für das Lebensnotwendigste zu haben.
Als sie die Hände an ihre schlanke, vom Korsett bedeckte Taille legte, fiel Haydons Blick auf den schlichten goldenen Ehering, den er ihr am Abend an den Finger gesteckt hatte. Er genügt nicht, dachte er, denn sie verdiente den kostbarsten Schmuck, den er sich leisten konnte. Doch im Moment konnte er sich gar nichts leisten. Man hatte ihm sein Leben als Marquess of Redmond geraubt, und er war nichts als ein gewöhnlicher entlaufener Sträfling. Alles, was ihnen blieb, war dieser gestohlene Augenblick, und Haydon spürte, dass er zur Neige ging, als seine glühende Leidenschaft ihn zu überwältigen drohte.
Er wollte innehalten, sich zurückziehen und sie zärtlich an sein pochendes Herz drücken, doch das Lustgefühl, das ihn durchströmte, war unerträglich. Mit einem Mal schrie Genevieve auf und bäumte sich ihm entgegen, und er drang wieder und wieder tief in sie ein, rief in einer Mischung aus Verzückung und Verzweiflung ihren Namen und erreichte den Gipfel seiner Ekstase.
Sie sank auf ihn nieder, schmiegte die Wange an seine Schulter und rang leise keuchend nach Atem. Ihr zerzaustes Haar breitete sich wie ein rotgoldenes Netz über seine Brust, wobei sie ihn noch immer umschlossen hielt. Haydon schlang die Arme um sie, bettete sie sanft neben sich auf die Matratze und strich ihr dann zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Ich kann dich nicht verlassen, Genevieve", flüsterte er rau. „Nicht heute Nacht."
Tränen schimmerten in ihren Augen und rannen dann wie kleine Silbertropfen über ihre Wangen in ihr Haar.
„Sie werden dich verhaften, Haydon", brachte sie mit zittriger Stimme hervor. „Sie werden dich verhaften und aufhängen. Wie soll ich dann weiterleben?"
Er zog sie in die Arme und strich ihr übers Haar, um sie zu trösten. „Wenn meine Gefangennahme unvermeidlich ist, möchte ich meine letzten Stunden lieber in deinen Armen verbringen, als Hals über Kopf in die Dunkelheit zu fliehen. Und wenn ich nicht verhaftet werde, muss ich dafür sorgen, dass du sicher zu Hause ankommst und ich Gelegenheit habe, mich von den Kindern zu verabschieden. Sie sollen nicht glauben, mir liege so wenig an ihnen, dass ich ohne ein Wort verschwinden würde."
Seine Stimme klang heiser vor Zorn, als er fortfuhr: „Es gab genug Menschen in ihrem Leben, die sich sang- und klanglos davongemacht haben, wenn es ihnen passte."
„Ich würde es ihnen erklären, Haydon", versicherte sie. „Ich würde dafür sorgen, dass sie sich nicht verraten fühlen."
Er schüttelte den Kopf. „Nein."
„Warum bedeutet es dir so viel, sie noch einmal zu sehen?"
Schatten legten sich über seine Augen, Schatten des Schmerzes und der Reue. Er versuchte, seine Gefühle vor ihr zu verbergen, indem er mit den Schultern zuckte, als wolle er sich lediglich aus Höflichkeit von den Kindern verabschieden. Doch Genevieve ließ sich nicht täuschen.
„Sag es mir, Haydon", bat sie leise. „Bitte."
Er löste die Arme von ihr, wandte sich ab und betrachtete schweigend das Muster aus feinen Rissen an der Zimmerdecke. Ihre Körper kühlten ab, das Kaminfeuer erlosch, und die wohlige Wärme, die das Zimmer noch vor wenigen Augenblicken erfüllt hatte, verflüchtigte sich. Und gerade als Genevieve glaubte, sie habe das zarte Band, das sich zwischen ihnen gebildet hatte, durch ihr drängendes Fragen zerstört, begann er zu sprechen.
„Ich hatte eine Tochter", berichtete er mit leiser, zögernder Stimme. „Ich habe sie verlassen. Sie hat sich das Leben genommen."
Er erwartete, dass sie ihn entsetzt anstarrte. Er dachte, sie würde vor ihm zurückweichen, sich in ein Laken wickeln und aus
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