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Orphan 1 Der Engel von Inveraray

Orphan 1 Der Engel von Inveraray

Titel: Orphan 1 Der Engel von Inveraray Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karyn Monk
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erwähnt. Dies erschien mir seltsam, denn zuvor hatte alle Welt davon gesprochen, wie abgöttisch Vincent seine Tochter liebte. Allerdings zerbrach ich mir nicht allzu lange den Kopf darüber, denn sehr zum Verdruss meines Bruders war ich viel zu eifrig damit beschäftigt, meinen Unterhalt noch vor Monatsende zu verprassen. Dann starb Cassandra unerwartet. Man munkelte, sie sei schwanger gewesen und habe das Kind abtreiben wollen. Die offizielle Erklärung führte ihren Tod jedoch schlicht auf eine nicht näher bestimmte Krankheit zurück. Ich nahm an der Beerdigung teil. Offenbar hielt ich es auf Grund unserer früheren Verbindung für meine Pflicht, ihr die letzte Ehre zu erweisen, und obwohl Vincent und ich niemals das waren, was man als Freunde bezeichnen würde, so war ich doch häufig genug bei ihm zu Gast gewesen.
    Abgesehen davon fragte ich mich, wie es Emmaline gehen mochte. Der Verlust ihrer Mutter hatte sie gewiss sehr traurig gemacht, und ich wollte mich versichern, dass sie darüber hinwegkommen würde. Schon beim ersten Blick auf sie erkannte ich, dass etwas nicht stimmte. Sie war ein hübsches, zartes kleines Ding von acht Jahren mit hellblondem Haar und den dunkelblauen Augen ihrer Mutter. Doch anders als Cassandra, die einst selbstbewusst und fröhlich gewesen war, wirkte Emmaline seltsam unruhig, scheu und linkisch. Gewiss, sie hatte soeben ihre Mutter verloren, und man konnte kaum erwarten, dass sie vor Fröhlichkeit strahlte, doch als Vincent sie barsch anfuhr, sie solle sich in die Ecke setzen und den Leuten nicht im Weg herumstehen, erkannten alle, welch tiefen Groll er gegen sie hegte. Schlimmer noch, es war offensichtlich, dass sie sich entsetzlich vor ihm fürchtete. In diesem Augenblick wurde mir klar, dass er es wusste. Er wusste es und rächte sich an ihr. Als könne sie irgendetwas dafür!"
    Der Gedanke daran, wie sehr Emmaline gelitten haben musste, schmerzte Genevieve. „Was hast du getan?"
    Er schnaubte verächtlich. „Ich verließ die Beerdigung und betäubte mich wochenlang mit Alkohol. Ich fühlte mich völlig hilflos, und das Trinken half mir zu vergessen, was für ein Versager ich war. Ich konnte schwerlich in Vincents Haus stürmen und verlangen, er solle meine Tochter herausgeben, um die ich mich acht Jahre lang nicht gekümmert hatte. Selbst wenn er es getan hätte, was zum Teufel konnte ich ihr schon bieten? Alle Welt hätte erfahren, dass sie ein Bankert war, was sie zu einem Leben als Außenseiterin verurteilt hätte. Meine Einkünfte reichten damals kaum aus, um meinen ausschweifenden Lebenswandel zu finanzieren.
    Außerdem hatte ich keinerlei Ahnung, wie man für ein Kind sorgt. Und so saß Emmaline in der Falle. Sie war Vincents Gefangene, die er nach Gutdünken vernachlässigen oder quälen konnte, und ich redete mir ein, es gäbe nichts, was ich für sie tun könnte."
    Genevieve sagte nichts.
    Haydon deutete ihr Schweigen als Vorwurf. Er wusste, dass sie, wäre sie in seiner Lage gewesen, Himmel und Erde in Bewegung gesetzt hätte, um Emmaline zu retten.
    „Während ich mich um den Verstand trank, starb mein Bruder. Der arme Edward, der nie im Leben krank gewesen war, hatte wie üblich den ganzen Tag am Schreibtisch verbracht, war dann aufgestanden und wie vom Blitz getroffen zusammengebrochen. Er hatte noch nicht die Zeit gefunden, um eine Frau zu werben und zu heiraten, und daher keinen Erben. Und so fand ich mich plötzlich in der Rolle des Marquess of Redmond wieder, mit all der Verantwortung und den Pflichten, die ich jahrelang so bereitwillig meinem Bruder überlassen hatte.
    Meine Verwandten waren gehörig entsetzt, zweifelten sie doch nicht daran, dass ich alles verprassen würde, was mein Vater und Edward so mühsam aufgebaut hatten.
    Ich habe mehrere Cousins, die mir seinerzeit zu verstehen gaben, dass sie sich für wesentlich geeignetere Anwärter auf den Titel des Marquess hielten."
    Er legte eine kleine Pause ein, bevor er weitersprach.
    „Nun, da ich über Geld und einen Adelstitel verfügte und viel weniger trank, wollte ich nicht länger mit ansehen, wie Emmaline Vincent auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Ich suchte ihn auf und bot an, mich fortan selbst um Emmaline zu kümmern. Doch er lehnte rundheraus ab. Er habe nicht die Absicht, das Kind fortzugeben, das alle Welt für seine Tochter hielt. Es käme einem öffentlichen Eingeständnis gleich, dass er gehörnt worden war, wenn er den Bankert seiner Frau nun ihrem Liebhaber überließ. Er

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