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Orphan 1 Der Engel von Inveraray

Orphan 1 Der Engel von Inveraray

Titel: Orphan 1 Der Engel von Inveraray Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karyn Monk
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Genevieve wurde bewusst, dass der Raum noch dazu eiskalt war, da er nicht einmal über einen winzigen Kamin verfügte.
    „Hier", sagte Haydon, zog die zweite Decke vom Bett und legte sie ihr um die Schultern. „Sie zittern ja."
    Genevieve hielt den Atem an, weil sie die Sinnlichkeit seiner Berührung kaum ertragen konnte. Die Wolle verströmte den männlichen Duft und die Wärme seines Körpers. Offenbar hatte er nackt im Bett gelegen, bevor sie gekommen war. Es erschien ihr erschreckend intim, in seine Wärme eingehüllt zu sein, doch das Gefühl war so beruhigend, dass Genevieve keine Anstalten machte, die Decke abzuschütteln. Sie zog sich stattdessen in die hinterste Ecke der kleinen Kammer zurück und fühlte sich sogleich ein wenig sicherer.
    Ob vor Haydon oder vor sich selbst, wusste sie allerdings nicht.
    Haydon konnte sich nicht vorstellen, was sie dazu bewogen hatte, ihn mitten in der Nacht mit nichts als einem dünnen Nachthemd und einem Schultertuch bekleidet aufzusuchen, doch ihm war klar, dass etwas sie quälte. Er erkannte, dass sie in den vergangenen Tagen entsetzlich gelitten hatte, und obwohl Charlotte am Nachmittag wohlbehalten zurückgekehrt war, musste sie innerlich noch immer aufgewühlt sein. Aus diesem Grund schwor er sich, ihr fernzubleiben. Noch während er seinen Schwur tat, erwachte die Erinnerung daran, wie Genevieve üppig und glühend in seinen Armen gelegen und sich unter seinen Liebkosungen gewunden hatte. Ihn überkam der Wunsch, ihr das zarte Nachthemd vom Leib zu reißen, sie an sich zu ziehen, auf den Boden zu drücken und in ihren seidenweichen, heißen Schoß einzudringen. Seine niederen Gelüste beschämten ihn, doch sie ließen sich nicht verleugnen. Er konnte seine Lenden nicht daran hindern, vor Erregung zu glühen.
    „Niemand hat je zuvor für mich gekämpft", sagte Genevieve leise, als koste sie jedes Wort Überwindung.
    Haydon schwieg.
    Sie schluckte und rang nach Worten. „Über acht Jahre lang musste ich mich allein für meine Familie einsetzen. Ich habe darum gekämpft, sie zu ernähren, zu kleiden, zu erziehen und ihnen das Gefühl zu geben, geliebt zu werden und dieser Liebe würdig zu sein." Ihre Stimme bebte leicht, als sie hinzufügte: „Und mein Weg war bisweilen sehr steinig."
    Das konnte Haydon sich gut vorstellen. Neben der ständigen Bedrohung durch tödliche Kinderkrankheiten hatte sie den endlosen Kampf um Geld und gegen die Verachtung der Umwelt aufnehmen müssen.
    „Ich vermute, die meisten Menschen hier wollen, dass ich scheitere", fuhr sie in bitterem Ton fort. „Natürlich würden sie niemals zugeben, derart hartherzige Gedanken zu hegen, doch insgeheim halten sie mein Scheitern für unvermeidbar.
    Sie vertreten die Ansicht, dass meine Kinder von niedriger Geburt sind und ihre sündige Natur nicht besiegt werden kann. Und deshalb waren alle so erpicht darauf, Charlotte zurück ins Gefängnis zu schicken. In ihren Augen hatte sie nichts anderes verdient. Die meisten Bürger Inverarays glauben, es sei nur zu ihrem Besten, sie mit jenen einzusperren, die ebenso unabänderlich minderwertig sind wie sie. Doch Sie denken anders über diese Dinge, nicht wahr?"
    Sie betrachtete ihn, als sähe sie ihn zum ersten Mal. „Sie hätten getötet werden können, Haydon. Wenn Sie von Governor Thomson, Wärter Sims oder irgendeinem Gerichtsdiener erkannt worden wären, hätte man Sie ins Gefängnis geschleppt und noch am gleichen Tag gehängt."
    Sie schaute ihn durchdringend an, als wolle sie hinter seine Maske blicken und herausfinden, wer er wirklich war. Sie spürte, wie sehr er sich zu ihr hingezogen fühlte, so deutlich, als striche er mit den Händen über ihren Körper, während seine Lippen die ihren in Besitz nahmen. Sie zog die Bettdecke enger um ihren Leib, was jedoch nur dazu führte, dass sein Duft und seine Wärme ihre Sinne noch heftiger betörten. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, als sie fragte: „Warum?"
    Die Frage schien einfach genug, doch es gab keine einfache Antwort darauf. Haydon konnte selbst nicht genau sagen, warum er so gehandelt hatte. Er war sich nur sicher, dass er den Gedanken, Charlotte auch nur einen Tag länger im Gefängnis zu wissen, nicht ertragen hatte. Wenn der Direktor und der Richter sie nicht freigelassen hätten, wäre er in ihre Zelle eingedrungen und hätte sie ohne Rücksicht auf die Folgen eigenhändig befreit. Er empfand eine besondere Zuneigung zu Charlotte und hatte sie beschützen wollen, doch er

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