Orphan 1 Der Engel von Inveraray
gleichzeitig entgegenbäumte. Sie öffnete sich ihm und umschloss ihn, bis es nichts mehr gab als die Glut und den silbrigen Schimmer, der ihre Körper bedeckte.
Sie ist alles, was ich je begehrt habe, erkannte er mit eindringlicher Klarheit. Und diese Erkenntnis war qualvoll, denn er wusste, dass sie nicht die Seine war und es niemals werden würde. Er hatte einen Mann getötet und seine Identität verloren. Er konnte nicht bleiben, ohne sie und die Kinder, denen sie ihr Leben gewidmet hatte, in Gefahr zu bringen.
Selbst wenn es ihm je gelingen sollte, sein Leben als Marquess of Redmond wieder aufzunehmen, würde sie ihn nicht wollen, dessen war er sicher, denn dieser selbstsüchtige, verantwortungslose Schuft hatte eine Frau wie sie nicht verdient. Die Erkenntnis schmerzte und erzürnte ihn, denn hätte er gewusst, dass es eine Frau wie sie gab, hätte er sein Leben vielleicht anders gestaltet, hätte nicht getrunken, sich nicht dem Glücksspiel hingegeben und nicht wahllos Kinder gezeugt, auf die er kein Recht hatte und die er nicht beschützen konnte.
Er wollte Genevieve an sich binden, sich in ihr vergraben, sie küssen und umschlingen, bis keiner von ihnen mehr wusste, wo der eine aufhörte und der andere anfing, wollte ihr Fleisch, ihren Atem und ihr Blut mit seinem verschmelzen, damit nichts sie je wieder trennen konnte. Doch es gab nur diesen einen vergänglichen Augenblick, und das Wissen darum erfüllte ihn mit Verzweiflung.
Er versuchte, sich zu zügeln, dieses flüchtige Zwischenspiel länger währen zu lassen, doch Genevieve drehte und wand sich unter ihm, vergrub voller Leidenschaft die Fingernägel in seinem Rücken und keuchte voll Wonne, bis er es schließlich nicht einen Augenblick länger ertragen konnte. Er tauchte tief in sie ein, stöhnte auf und verging vor Lust. Ihm war, als müsse er sterben, doch es kümmerte ihn nicht, solange er nur mit ihr vereint war, ihr Herz spürte, das heftig an seiner Brust schlug und ihren Atem, der sanft und warm über seine Haut strich.
Sie lagen eine geraume Weile eng umschlungen da, und jeder fürchtete, sich zu rühren, aus Angst, das zarte Band zwischen ihnen zu zerstören. Doch als sein Körper sich abkühlte, kehrte Haydons Verstand zurück. Was habe ich mir nur dabei gedacht, fragte er sich voller Verachtung. Nicht genug, dass er aus Eigensucht ein ungewolltes Kind gezeugt hatte - sein Mangel an Selbstbeherrschung könnte jetzt noch ein zweites zur Folge haben. Er hatte seit seiner verhängnisvollen Affäre mit Cassandra nicht wie ein Mönch gelebt, sich nach Emmalines Tod jedoch geschworen, nie wieder so gedankenlos ein Leben zu zeugen. Doch statt sich zurückzuziehen, bevor er den Gipfel der Lust erreichte, wie er es in den vergangenen zwei Jahren stets getan hatte, hatte er sich in ihr verloren.
Wie hatte er derart sorglos handeln können?
Er rollte sich zur Seite und stieg aus dem Bett. Nachdem er die Decke vom Boden aufgehoben und sie abermals um seine Hüften geschlungen hatte, ging er zum Fenster und starrte grimmig in die schwarze Nacht hinaus.
„Himmel, Genevieve", sagte er mit leiser, rauer Stimme. „Es tut mir Leid."
Scham überkam sie. Sie griff nach ihrer Decke und wickelte sich darin ein, um sich vor Haydons Blicken zu schützen, während sie ihr Nachthemd und ihr Schultertuch zusammenraffte. Dann wandte sie sich ab und kleidete sich im Schutz der Decke an.
Heute Nacht habe ich mein wahres Gesicht gezeigt, dachte sie bekümmert. Ich bin eine lüsterne Dirne, die sich schamlos in den Armen eines Mannes gewunden hat.
Ich habe Haydon geküsst, ihn umschlungen, mich ihm dargeboten, ohne an die Folgen zu denken. Er ist nicht dein Ehemann und wird es auch nie sein, rief sie sich unglücklich in Erinnerung. Er war ein entflohener Sträfling, ein verurteilter Mörder, und er durfte keinen Augenblick länger als nötig in ihrem Hause bleiben. Selbst wenn er eines Tages sein Leben als Marquess of Redmond wieder aufnehmen sollte, würde er nie zurückkehren, um eine Frau wie sie zu heiraten. Kein Mann von Stand oder gesundem Menschenverstand würde eine verarmte alte Jungfer ehelichen, die fünf junge Diebe und den Bankert einer Magd an Kindes Statt angenommen hatte.
Sie wollte etwas sagen, konnte ihre Gefühle jedoch nicht in Worte kleiden. Er hatte sich entschuldigt, doch es kam ihr entsetzlich verlogen vor, seine Entschuldigung anzunehmen, denn sie war es gewesen, die ihn herausgefordert hatte, indem sie mitten in der Nacht nur mit
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