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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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der gesamte Wald da oben! Und ein imposantes Anwesen hat sie, hat dringend Hilfe nötig. Für die Restauration, aber auch sonst. Sie hat hochfliegende Pläne, müssen Sie wissen...«
    Sie unterbrach sich selbst.
    »Aber das hat noch Zeit, lassen Sie uns erst mal Ihre Sachen nach Hause bringen.«

    Julia sah den armen Tröpfen nach, die im Klammergriff dieser Marianne im Dunkel verschwanden.
    »Ach du liebe Zeit! Sind diese Schildkrötenpanzer da etwa Ihre Koffer?«
    Julia hätte es gern abgestritten.

    Frau Bult mühte sich, einen hochzuhieven.
    »Der gesammelte Nietzsche, was?«
    Das war einer dieser Momente, in denen man am besten schwieg. Nie hätte Julia jetzt zugegeben, was sich wirklich in den Koffern befand. Kleider, Wäsche, Bücher natürlich. Aber vor allem: Dosen mit Macadamia-Nüssen. Studentenfutter. Extragroße Tafeln Schokolade. Und als Füllmaterial: Erdnußflips. Puffmais mit Schokolade. Blätterteig zum Croissantbacken. Eine winzige Flasche - eine wenigstens! - mit Ahornsirup. Und dazu der übliche Kosmetikkram. Massagebälle unterschiedlicher Größe. Messingkugeln. Ihr Wasserfilter, denn hier im Osten wußte man nie so genau. Und eine Magnumflasche Champagner. Eine noble Geste von Jeanette, zum Abschied:
    »Die kannst du versetzen, wenn es mal ganz dicke kommt! Oder austrinken, in einem Zug - mit einem Kerl, damit es ganz dicke kommt.«
    »Na los denn!«
    Julia packte zu. Und stemmte diesen verfluchten Hartschalenkoffer dahin, wo eben noch die Ladefläche des Handkarrens gewesen war. Die schien aber plötzlich höher. Und weiter weg. Praktisch unerreichbar. Mit Schwung!
    Ein kurzer, trockener Knall, ein Poltern -
    »Nein!«
    Zu spät. Julia Völckers Habseligkeiten ergossen sich auf den Inselboden.
    Dosen mit Macadamia-Nüssen. Extragroße Tafeln Schokolade. Puffmais. Die dunkelrote Brokatschachtel öffnete sich, die chinesischen Kugeln kollerten heraus, Richtung Wasser, Klingelang - Yin und Yang! Es kam Julia jetzt vor wie Hohn. Wäsche, Schuhe. Der Wasserkocher.
    Julia schrie auf und stürzte den Kugeln hinterher.

    Irgendwie kamen sie doch noch vom Anleger weg. Mit dem Koffer, der selbstverständlich nicht mehr zu schließen war. Mit einem Schal zurrten sie ihn fest, den anderen hatte Julia vorsichtig obenauf gelegt, um dann, gebeugt wie eine Hexe aus dem Kindertheater, eine Hand immer auf den Gepäckberg gestützt, hinter dem Handkarren herzugehen, den Frau Bult zog.
    »Bestimmt wird es besser gehen, wenn wir erst einmal auf der Straße sind!« hatte Julia noch zaghaft gemeint.
    »Das hier ist die Straße«, hatte Frau Bult geantwortet.
    Die Straße, ein schlammiger Pfad. Der sich recht steil nach oben wand und dann in einen etwas breiteren, aber ebenso morastigen Weg mündete. Riesenhaft hohe Baumschöpfe. Sie begannen zu rauschen, so laut, daß keine Unterhaltung möglich war. Langmähnige Kiefern, zottelige Birken - und waren das da drüben nicht Eichen? Hier und da schlugen wachsame Gänse an, entfernt bellten Hunde, ihr Kläffen trug der Nachtwind verzerrt herüber. Die Stra ßenlaternen hüllten wenige Meter des Wegs in anheimelnde Dämmerung. Stolpern, Taumeln, das brennende Bedürfnis, sich aufzurichten. Scham über das alberne Gepäck, die unangemessene Kleidung, den verkorksten Anfang.
    Plötzlich: Peitschenknallen. Blitzschnelles Trappeln von Hufen, ganz nah. Julia hörte Räder rumpeln, eine kräftige Männerstimme, die offenbar Pferde antrieb, und erkannte schemenhaft ein größeres Gefährt, das sich direkt auf sie zu bewegte. Sie ließ den Handkarren los, sprang erschrocken zur Seite, und da preschten sie vorbei, zwei stämmige Pferde vor einer leichten, offenen Kutsche. Vorne auf dem Bock stand, nur halb aufgerichtet, ein Mann in einem wehenden weiten Mantel, auf dem Kopf einen Hut, der sein Gesicht verbarg.
    »Lauf schon Leo, lauf!«
    Und dann waren sie verschwunden. Und Julia stand knöcheltief
im Matsch. Frau Bult kauerte über dem schwankenden Gepäckberg wie eine gutartige, neunarmige Krake, aber Julia hatte jetzt keinen Blick dafür. Zorn hatte sie gepackt, ganz plötzlich, heller, scharfer Zorn. Sie nannte den Kutscher einen Idioten, einen Rüpel sondergleichen, einen Schimmelreiter für Arme. Und als Frau Bult, die seltsam atemlos erschien, entgegnete, dies sei der Tierarzt gewesen, sicher auf dem Weg zu einem Notfall-Patienten, da fauchte Julia, daß ihr das egal sei, wirklich vollkommen egal, und ob hier blöde kalbende Kühe vielleicht so wichtig seien, daß man

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