Othello
im Bewusstsein der eigenen Unschuld in den Tod und zeigt auch am Ende nur Liebe für ihren Mörder, wie ihre letzten Worte bezeugen: »Commend me to my kind lord, O, farewell!« (V,2,126). Wie sehr Shakespeare bei der Gestaltung der weiblichen Hauptfigur an die christliche Tradition dachte, geht auch aus der dramatischen Anlage der Mordszene hervor. Desdemona wird ermordet und kommt noch einmal zu Bewusstsein: Martyrium und, wenn man einigen Kritikern folgt, Auferstehung.
Die Tragödie Othello ist ein Stück, dessen poetische Elemente im Rahmen der vorhergehenden Charakteranalyse nur gelegentlich Erwähnung fanden. Mit Hilfe der Konkordanz können wir die umfangreiche Metaphorik dieses Dramas systematisch erfassen. Wir stellen dabei fest, dass Othello relativ viele durchgehende metaphorische Bezüge aufweist, ohne deren Berücksichtigung das Stück schwerlich adäquat interpretiert werden kann. Wie bei anderen Shakespeare-Dramen sind die wichtigsten Metaphern antithetisch konzipiert. Sie lassen mithin auf Spannungsverhältnisse schlieÃen, die im vordergründigen HandlungsÂablauf nur teilweise erkennbar oder ganz verdeckt sind. Die wichtigsten Metaphern sind: Himmel und Hölle; Licht und Dunkelheit; Tag und Nacht; schwarz und weiÃ; Heilung und Krankheit; Musik und Unruhe; See, Sturm, Krieg; Feuer, Flamme, Fackel (Iago und später â in Akt V â auch Othello als Luzifer!).
Wir wollen abschlieÃend auf eine Wertung dieser Tragödie verzichten und auch der Versuchung widerstehen, den von der Kritik vorgeschlagenen Gattungsbezeichnungen (u. a. âºtragedy of passionâ¹, âºtragedy of consuming love and consuming hateâ¹) eine weitere hinzuzufügen. Eine Âkritische Stellungnahme zu diesem Stück wäre jedoch unvollständig, wenn wir â fasziniert durch das reiche, den Geist der Shakespearezeit sprengende Aussagepotenzial â die formale Nähe zur aristotelischen Norm nicht würdigen würden. Von Shakespeares groÃen Tragödien kommt Othello den geforderten Einheiten von Zeit, Ort und Handlung am nächsten. Es verwundert daher nicht, dass ein so streng auf klassische Normen achtender Kritiker wie Samuel Johnson seiner Interpretation eine bescheidene Warnung vorausschickte: »The beauties of this play impress themselves so strongly upon the attention of the reader, that they can draw no aid from critical illustration.«
Dieter Hamblock
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