Othello
danach gefragt hatte, unter geschickter Anleitung des Fähnrichs im Haus des Hauptmanns sieht, ist für ihn der geforderte Beweis erbracht. Er bittet den Fähnrich, den Hauptmann zu töten. Der weisungsgemäà eingeleitete Anschlag gelingt jedoch nur zum Teil. Disdemona wird sodann vom Mohren und dem Fähnrich gemeinsam mit einem sandgefüllten Strumpf erschlagen. Der Mord wird anschlieÃend durch Zerstörung des Hauses verdeckt. Nach der Tat ist der Mohr so sehr von Kummer geplagt, dass er nunmehr den Fähnrich zu hassen beginnt. Er enthebt ihn seiner Funktionen. Dieser rächt sich, indem er den â überlebenden â Hauptmann zu einem Gerichtsverfahren gegen den Mohren anstachelt. Der Mohr gesteht schlieÃlich unter der Folter seine Tat. Er wird lebenslänglich aus Venedig verbannt und von Disdemonas Verwandten getötet. Der Fähnrich entgeht zunächst seiner Bestrafung und kann eine Zeitlang weitere Opfer verfolgen, wird letztlich aber auch festgenommen und stirbt unter der Folter.
Die zentralen Handlungsepisoden der Novelle von Cinthio, in denen die Verführung des Mohren durch seinen Fähnrich dargestellt wird, entsprechen teilweise sehr genau der Handlung in Shakespeares Tragödie. Für den ersten und den letzten Akt finden wir hingegen nur wenige Parallelen in der Quelle.
Die von Shakespeare erdachten Namen von zwei ProtÂagonisten sind bezeichnenderweise nicht mit Italien, sondern mit Spanien assoziiert. Iago (Santiago â der Heilige Jakob) hatte als spanischer Nationalheiliger und als BezugsÂfigur für die mehrere Jahrhunderte dauernde Reconquista den Beinamen »Matamoros« (âºMohrenâ¹- oder âºMaurenÂtöterâ¹), während der Name Roderigo sowohl an den letzten Westgotenkönig Roderich als auch an den spanischen NaÂtionalhelden des Mittelalters Roderigo Diaz (El Cid) erÂinnert.
Der Name der Titelfigur ist hingegen keiner historischen Gestalt zuzuordnen. »Othello« ist eine italienische Diminutivform von »Otho«, einem römischen Kaiser, dessen Büste eine Abteilung der Cottonian Library ziert und Kennern der mittelenglischen Literatur noch heute als Orientierungshilfe dient. Diese in London aufbewahrte wertÂvolle Sammlung alter Handschriften aus den Beständen aufgelöster Klöster war zur Shakespearezeit bekannt. Ein direkter Bezug zu Shakespeare ist jedoch bislang nicht nachgewiesen worden.
Die erste Szene von Shakespeares Othello ist eine typische Expositionsszene, in der der Titelheld zunächst nicht auftritt. Stattdessen sehen wir zwei Figuren, den Aristokraten Roderigo und den Fähnrich Iago, den wir weder hier noch später im Stück definitiv einer bestimmten Stufe in der gesellschaftlichen Hierarchie zuordnen können. Iago führt sich mit einem vulgären Fluch (»âSblood«) ein, der sich deutlich von Roderigos fast höflichem »Tush« abhebt. Iago kann es sich offenbar erlauben, Roderigo in rüder Weise zu antworten. Wir merken sehr bald, dass Roderigo ein Tölpel ist, der sich von Iago missbrauchen und ausbeuten lässt. Zu Iagos Eigenschaften gehört unter anderem ein handfester materieller Erwerbstrieb, der die Veruntreuung der ihm von Roderigo für Desdemona überlassenen Werte einschlieÃt. Iago ist Ãkonom. Er sorgt nicht nur für sich selbst und gebraucht sehr häufig kommerzielle Termini (»sell«, »buy«, »profit«, »dear«, »purse«, »enrich«, »jewels«, »gold«), sondern berät am Ende von Akt I auch Roderigo für das kommende Unternehmen (»put money enough in your purse«).
Iagos Erwerbstrieb war für Shakespeares Zeitgenossen ebenso vulgär und verdächtig wie sein von ihm selbst vorgebrachtes Aufstiegsmotiv. Für viele Kritiker ist Iagos Enttäuschung darüber, dass er bei der Ernennung des stellvertretenden Befehlshabers zu Unrecht übergangen worden sei, nur ein Ad-hoc-Argument zur Beschwichtigung Roderigos. Bradleys Warnung, keiner Aussage Iagos Glauben zu schenken, solange sie nicht durch Tatsachen oder Wiederholungen gedeckt sei, hat viele Kritiker dazu verleitet, Iagos Motive auf einige wenige zu reduzieren. Ist deshalb das von ihm selbst vorgetragene Aufstiegsmotiv nicht echt, zumal er selbst nur einmal kurz (I,3,392) und zweimal eher indirekt (II,1,174 und 277) darauf zurückkommt, und auÃerdem niemand auf seine Enttäuschung
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