P S: Verzeih mir!: Roman (German Edition)
mit den Seelöwen plaudern.
Doch zuerst zu den wichtigeren Dingen, beschloss Leonie und krauste die Nase; diese Wohnung brauchte einen gründlichen Frühjahrsputz. Der vorige Bewohner hatte sie nicht gerade in bestem Zustand hinterlassen. Eine Staubschicht lag auf dem Couchtisch und dem Kaminsims, und die angrenzende Küche (die eigentlich mehr eine Kitchenette war) sah echt schäbig aus.
Sie ließ ihren Rucksack im Schlafzimmer fallen und beschloss, sofort wieder nach draußen zu gehen, um ein paar Sachen zu besorgen. Am Ende der Straße gab es einen Minimart, so dass sie sicher genug Putzmittel kaufen könnte, um zumindest für den Nachmittag beschäftigt zu sein. Und wenn sie schon dabei war, konnte sie gleich ein paar Grundnahrungsmittel wie Milch und Zucker anschaffen. Bald würde sie einen Großeinkauf in einem der Supermärkte machen, aber die Wohnung würde erst richtig zum Heim werden, wenn sie eine Tasse Tee getrunken hatte. Ihr lief ein Schauer der Erregung den Rücken hinunter, als sie die Erkenntnis traf, dass sie sich ihre erste Tasse Tee in ihrer eigenen kleinen Wohnung in einer Stadt kochen würde, die Tausende von Meilen von ihrem normalen Leben entfernt war.
Trotz der Probleme, die sie überhaupt hierhergeführt hatten, begann sie bereits sich positiver zu fühlen. Und wenn sie etwas dafür tun konnte, dachte sie, die Hände in die Hüften gestützt, während sie ihre neue Umgebung betrachtete, würde sich die Green Street bald wie ihre Heimat anfühlen.
Nachdem sie das Wohnzimmer und die etwas vernachlässigte Küche geschrubbt hatte, begab sie sich endlich ins Schlafzimmer, das zu ihrer Erleichterung nicht so viel Arbeit erforderte, abgesehen davon, dass sie die Teppiche saugte und die Schränke auswischte.
Leonie stellte sich auf einen Küchenstuhl und begann den Schrank abzustauben. Es war ein sehr altes, praktisches antikes Stück aus dunklem Holz und mochte gut und gern genauso alt sein wie das Haus selbst, dachte sie und erinnerte sich daran, dass sie irgendwo gelesen hatte, dass viele viktorianische Häuser aus dem damals leicht verfügbaren (und vor allem feuerresistenten) Holz erbaut worden waren.
Sie griff hinein und fuhr mit dem Staubtuch über ein Brett, wollte aber nicht nur schnell und flüchtig darüberwischen. Dann runzelte sie die Stirn, als ihre Hand auf etwas traf. Sie spähte in die Dunkelheit und erblickte etwas, das wie eine kleine Kiste aus Holz aussah, weit hinten versteckt. Super, stöhnte sie innerlich, die letzten Mieter hatten offenbar ein hübsches Begrüßungsgeschenk mit ihrem ungewollten Müll hinterlassen.
Seufzend zog Leonie die Kiste über das Regal und hob sie aus dem Schank. Sie wollte sie nach unten und aus dem Weg räumen. Doch gerade als sie im Begriff war, sie aufzuheben, verlor sie auf ihrem Stuhl plötzlich das Gleichgewicht, und sie und die Kiste stürzten zu Boden.
»Da schau nur, wozu du mich gebracht hast!«, jammerte sie und rieb sich den Hintern, der das meiste von dem Sturz abbekommen hatte. Der kleine goldene Riegel an der Kiste war aufgegangen, und ihr Inhalt, eine Sammlung von Umschlägen, die lose in Zellophan eingewickelt waren, lag überall verstreut.
So viel zum Aufräumen der Wohnung, grummelte sie bei sich und beschloss, dass es wohl ein Zeichen sein sollte, dass sie für einen Nachmittag genug getan hatte. Ganz zu schweigen von einer sehr guten Ausrede für eine schöne Tasse Tee.
Leonie stand auf und sammelte den Inhalt der Kiste ein. Dabei erkannte sie, dass die Umschläge seltsamerweise immer noch versiegelt und ungeöffnet waren. Sie nahm einen an sich, um ihn genauer zu untersuchen. Es war ein Brief, adressiert an jemanden, der wohl vorher hier gewohnt hatte.
Helena Abbott.
Tatsächlich war jeder einzelne ungeöffnet und alle an dieselbe Person adressiert.
Merkwürdig.
Mit der Kiste im Arm ging Leonie wieder in die Küche und schaltete die Herdplatte mit dem Kessel darauf ein. Während sie darauf wartete, dass das Wasser kochte, setzte sie sich ans Fenster und betrachtete nacheinander die Umschläge. Die Handschrift war auf allen Umschlägen gleich, bemerkte sie. Und dann noch so eine schöne Schrift, fast wie Kalligraphie.
Warum waren die Briefe nicht geöffnet worden? Angenommen, diese Helena Abbott, wer immer sie auch war, hatte vorher hier gewohnt und die Briefe absichtlich in der Kiste weggeräumt (und dazu noch in einer sehr hübsch verzierten), warum hatte sie sie dann nicht geöffnet? Oder sie mitgenommen, als
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