P S: Verzeih mir!: Roman (German Edition)
musste ich es tun.«
»Ich weiß, aber na ja, es ist einfach so extrem, Leonie. Vor etwas wegzulaufen hilft langfristig nämlich nie.«
Leonie spürte einen Kloß in der Kehle. »Vielleicht, doch im Augenblick ist es die einzige Möglichkeit, die ich kenne, um damit umzugehen.«
»Aber es ist doch sicher besser, hier in Dublin bei uns zu sein. Bei den Menschen, die dich lieben und sich um dich sorgen, anstatt ganz alleine in einer großen Stadt, wo sich niemand um dich schert?«
»So ist es nicht, die Leute hier sind nett«, entgegnete sie und dachte an den hilfsbereiten Makler, der für sie die perfekte Wohnung gefunden hatte, und an Carla vom Empfang im Holiday Inn, mit der sie in den letzten Wochen so etwas wie Freundschaft geschlossen hatte. »Alle sind echt freundlich.«
Seit ihrer Ankunft vor drei Wochen fühlte sie sich in San Francisco sehr wohl. Der hinreißend blaue Himmel und die helle kalifornische Sonne hoben ihre Laune sofort, und obwohl es so geschäftig und hektisch wie in jeder anderen Stadt war, hatte sie doch auch einen entspannten, künstlerischen Nerv an sich. Deshalb ja, natürlich fühlte sie sich manchmal einsam und vermisste alles und alle, die sie hinter sich gelassen hatte, aber darum ging es doch teilweise auch, oder?
An diesem Nachmittag hatte sie den Mietvertrag für die umgebaute viktorianische kleine Wohnung unterzeichnet und würde Ende des Monats dort einziehen.
»Wie lange gedenkst du denn zu bleiben?«, fragte Grace.
»Nun, der Mietvertrag für die Wohnung gilt für sechs Monate mit der Möglichkeit der Verlängerung danach, deshalb weiß ich es nicht. So lange wie es dauert, nehme ich mal an.«
»Sechs Monate?«, schrie Grace auf.
»Hast du denn geglaubt, ich würde nur ein paar Wochen bleiben und dann den Schwanz einziehen und zurückkommen? Was hätte es denn dann für einen Sinn?«
»Nun, ich könnte nicht alles einfach so aufgeben und mein ganzes Leben so verlassen. Versteh mich nicht falsch«, fügte Grace schnell hinzu, »ich weiß, es gibt einen sehr guten Grund, aber es scheint alles so … drastisch zu sein.« Als Leonie nichts erwiderte, fuhr sie fort: »Es ist nur, du bist normalerweise so ruhig und gefasst. Ich denke mal, ich habe einfach nicht erwartet, dass du so reagieren würdest.«
»Ruhig und gefasst, wenn es um die Probleme der anderen geht, vielleicht«, gab Leonie sarkastisch zurück. Aber wenn es um ihr eigenes Leben ging, war sie doch immer eine völlige Katastrophe gewesen, oder? Und ja, herzukommen mochte impulsiv gewesen sein, doch gleichzeitig fühlte es sich richtig an.
»Nun, okay, du hast also eine Wohnung gefunden, toll. Zumindest werde ich in den nächsten sechs Monaten wissen, wo du bist. Aber was wirst du denn jetzt machen? Du kannst dich doch nicht alleine in deiner Wohnung verstecken.«
»Ich denke, nun, da ich eine Basis habe, werde ich anfangen, nach einem Job zu suchen.«
Kurz bevor sie Dublin verlassen hatte, hatte Leonie ihren Job bei Xanadu Event Management gekündigt und das freundliche Angebot ihres Chefs abgelehnt, die Stelle offenzuhalten, bis sie zurückkam, weil sie sich nicht sicher war, ob sie überhaupt jemals zurückkommen würde. Und obwohl sie einige Ersparnisse hatte, die sie eine Zeitlang über Wasser hielten, wusste Leonie, dass sie, wenn sie wirklich von vorne anfangen und richtig in der Stadt ankommen wollte, Arbeit finden musste.
»Es geht einfach nicht in meinen Kopf«, sagte Grace traurig, und Leonie konnte ihre Freundin fast vor sich sehen, wie sie ungläubig ihren blonden Kopf schüttelte, während sie in ihrer Küche zu Hause in Dublin saß, umgeben von Kinderspielzeug. »Und dann ausgerechnet Amerika …«
»Na ja, in gewisser Weise ist es auch zu Hause, oder?«, gab Leonie zurück und bezog sich damit darauf, dass sie tatsächlich in den Staaten geboren war, auch wenn ihre irischen Eltern kurz darauf zurück nach Dublin gezogen waren. Nach ihrer Trennung vor einiger Zeit waren sie weitergezogen; ihr Vater lebte jetzt in Hongkong, und ihre Mutter war mit ihrem neuen Partner in Südafrika. Sie hätte natürlich zu ihrer Mutter reisen können, doch sie wollte ihr keine Last sein, und, wichtiger noch, um dies hier durchzustehen, musste sie, das wusste sie, eine Zeitlang alleine sein.
»Hör zu«, sagte Grace leise nach einer langen Pause, »ich glaube, ich kann es dir genauso gut erzählen, ich habe neulich Adam zufällig getroffen.« Leonie blieb fast das Herz stehen. »Er weiß nicht, dass du
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