Paarungszeit: Roman (German Edition)
Tauchyoga, Candlelightdinner auf der Terrasse und dem absoluten Highlight: Nachttauchen mit Weinprobe. Wofür die Tauchschule keinerlei behördliche Genehmigung besaß. Fredl Weidinger hatte deswegen schon mehrere Razzien durchgeführt. Eine davon war mit der Kamera festgehalten worden, einzelne Szenen gab es im Fredl-Weidinger-Supercop-Film zu bewundern: Fredl mit polierter Glatze, gestylt zu einer Mischung aus Mr. Proper und Spiderman, beim Beschlagnahmen einer Kiste Rotwein. Triumphierend hielt er eine Flasche hoch, und die Kamera schweifte erst langsam und genussvoll über das Etikett: Bordeaux Sauvignon reservé appellation d’origine controllée mis en bouteille au Chateau Lafitte, um dann in aufreizender Gemächlichkeit über den Hintern der Tauchschulchefin zu schwenken, die sich im Licht von Fredls Taschenlampe nach einer Muschel auf dem sandigen Boden bückte. Nur, dass es hier in Neuenthal am Brachsee keine Muscheln gab.
»Ich fahr jetzt rüber nach Mohnau.«
Die Breitner spielte mit ihrem Autoschlüssel.
»Ein paar Bilder kopieren für die Neuenthal-Broschüre. Leonhard und ich denken, der Bootssteg vor der Tauchschule repräsentiert unseren Ort am eindrucksvollsten, nicht wahr, Leo?«
»Passt scho«, sagte Hartl. Thereses Bruder war noch nie besonders gesprächig gewesen, was auch an seinem Job als Tauchlehrer lag – was gab es unter Wasser schon zu ratschen? –, und er war noch schweigsamer geworden, seit seine Liebste die Leitung der Tauchschule an sich gerissen hatte. Jetzt wollte Christiane Breitner also auch noch die Leitung der Tourismusinitiative Neuenthal an sich reißen. Außer Hartl Engler, seiner Schnoin und Therese waren die Betreiber der beiden Gaststätten Neuenthals mit von der Partie, hinzu kam die Inhaberin des Edekamarkts mit Poststelle, einem der kulturellen Hotspots von Neuenthal. Die jüngere Generation vertraten Thereses Neffe Quirin und seine Freundin Gina, sowie Susn als Bätschlerin und Touristenführerin. Gemeinsam gedachten sie, dem öden Prospekt des Kreisverbands Brachsee eine eigene, innovative Broschüre entgegenzusetzen. Auf ihrer gestrigen und bisher einzigen Sitzung hatte sich allerdings herausgestellt, dass Gruppenarbeit nur weichgespülte Kompromisse zuließ. Eine so hasenfüßige Formulierung wie Neuenthals erfrischend lebendige Geschäftsstraße zum Beispiel. Thereses Vorschlag pulsierende Einkaufsmeile war als übertrieben abgelehnt worden. Gut, die Straße mit dem Edekamarkt, dem Döner 24, der Feuerwehrkneipe und Thereses Trachtenladen zog sich nur über etwa hundert Meter. Aber pulsierend traf es einfach, es klang gleichzeitig aufregend und naturnah. Genau, was Touristen brauchen.
»Kümmerts ihr euch halt um das Motiv.« Therese beugte sich über den Blumenkasten, zupfte ein welkes Blatt aus ihren Hängegeranien. »Ich kümmer mich um den Text.«
Nicht schlecht. Diplomatisch, aber deutlich. Die Breitner hatte verstanden, Therese sah es an ihrer Augenbraue, die sich anschickte, hinter den Ponyfransen zu verschwinden.
»Den Ableger könnts dann morgen abholen, ich hab heute Abend was vor.«
Damit winkte sie ihrem Bruder und seiner Schnoin noch einmal hoheitsvoll zu und verließ den Balkon der Kaisersuite.
Fünf Minuten später stand Therese im dämmrigen Hinterzimmer ihres Ladens, eingerichtet als Café, mit Küche, Theke und Espressomaschine. Aber das Cafégeschäft lief schlecht, eher gar nicht, jetzt, in der Vorsaison, vor allem wegen der Konkurrenz aus Mohnau. Sie rückte hie und da ein rotkariertes Tischtuch zurecht, dann öffnete sie die Durchgangstür zu ihrem Geschäft. Stangen, an denen die verschiedensten Dirndlmodelle hingen, die neuen frechen Trachtenröcke, Hosen und Lederjacken für die Herren. Im Fenster waren noch die Edeldirndl mit winterlichem Pelzbesatz ausgestellt, sie musste dringend auf Frühling umdekorieren. Ihre Cowboystiefel drückten schon jetzt, und sie setzte sich einen Moment in den Sessel, der alpenländisch mit einer Kuhfell-Imitation aus Stoff bezogen war, ein gemeinsames Geschenk von Christiane und Hartl. Sie konnte auch nett sein, die Breitner-Schnoin, das war das Tückische an ihr.
Therese streckte die Beine aus und sah sich im Laden um. Das Hochzeitsdirndl für Susn hing noch an seinem Platz, an der Außenwand der Umkleidekabine. Sakra, was für ein prächtiges Gewand! Der Organzaschleier würde wunderbar zu Susns dunklen Locken passen, ein genetischer Gruß von Matthias Glatthaler, in ihrer Familie hatten alle
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