Paarungszeit: Roman (German Edition)
entspannt! Und, by the way, ich hab einen neuen Termin im Brautmoden und Design ausgemacht. Und diesmal sagst du nicht kurzfristig ab, diesmal wirst du gefesselt und geknebelt und dorthingeschleift. Ist dir eigentlich klar, wie wenig Zeit uns noch bleibt? Es pressiert, host mich?«
»Es heißt: Hosd mi. Und ich weiß, dass es eilt.« Ich strauchelte, und Gina nahm mich am Ellbogen, lotste mich über das kleine Brückchen, hinter dem der befestigte Weg aufhörte. Und im friedlichen Rot der Abendsonne über Neuenthals Weidezäunen traute ich mich, mit der Idee herauszurücken, die mir schon länger im Kopf herumspukte.
»Sag mal«, hechelte ich, »was hältst du eigentlich von einem … äh … maßgeschneiderten Kleid?«
»Du meinst … Özcan?« Gina blieb tatsächlich stehen, aus vollem Lauf, so plötzlich, dass ich beinahe stolperte und Floh ein überraschtes Bellen ausstieß. »Susn! Du wirst dir doch kein Hochzeitskleid von einem Dorfschneider anfertigen lassen!«
Eine unfaire Bemerkung. Özcan Breithuber, der in Neuenthal neben dem Döner 24 und der Haxn-Hotline eine kleine Änderungsschneiderei betrieb, hatte Kundschaft aus dem gesamten Landkreis und sogar aus der Stadt, raunte man, ein Gerücht, das meine Mutter maßlos ärgerte.
»Welches Brautkleid schwebt Timo eigentlich vor?« Gina setzte sich wieder in Bewegung. »Habt ihr schon darüber gesprochen?«
»Ich … Glaubst du wirklich, ich soll Timo einweihen?« Die Wedding-Ratgeber waren sich in diesem Punkt nicht einig. Einige empfahlen, dem Bräutigam bloß nichts zu offenbaren, sonst ginge aller Zauber verloren. Andere erhoben gegen diese Heimlichtuerei Bedenken. Die auch Gina teilte.
»Aber natürlich, Susn, was denn sonst. Es geht doch um euer Fest, eure Liebe, euer Leben! Macht euch einen romantischen Abend, du weißt schon, Kerzenlicht, Champagner, sexy Dessous. Aber bevor es zu allem anderen kommt, blättert ihr in Ruhe zusammen im Katalog und einigt euch auf ein gemeinsames Outfit. Sonst tauchst du am Ende im pompösen Duchesse-Kleid auf und er in seiner schicken Outdoor-Fleecejacke in Zeltbahngrün!«
In ihrer Rage sprang sie mit einem Satz über einen Maulwurfshügel, und mir fehlte die Luft, um ihr zu sagen, dass ich Duchesse-Kleider kitschig fand und Timo natürlich einen Anzug tragen würde und nicht eine Jacke, in der er gewöhnlich nach Lebendfutter für seine Zierfische suchte. Fische waren Timos große Leidenschaft. Die immer mehr ausuferte. Mittlerweile war unser gesamtes Wohnzimmer voller Aquarien, Fische sahen mit uns fern, beglotzten gleichmütig Abendnachrichten und Actionfilme, knabberten dabei Mückenlarven, glubschten hinter Pflanzen hervor und schienen alles zu beobachten, was wir taten. Sollten wir, wie Gina es anscheinend vorschwebte, champagnerberauscht in unserem Wohnzimmer knutschen, würde ich mir vermutlich vorkommen wie die Akteurin einer Peepshow für Fische.
»Außerdem«, sagte Gina, »muss dein Modell ja zum Stil der Feier und zum Ambiente passen. Ihr bleibt also bei schlicht, ja?«
Ich hatte ihr schon zehnmal erklärt, warum wir nicht auf einem Schloss oder Boot heiraten wollten, sondern im Restaurant Chez Lutz in Mohnau, warum es keine brennenden Herzen über dem See geben würde, sondern ein simples Tischfeuerwerk. Und, sehr zu Ginas Ärger, noch nicht einmal anrührende Gospelgesänge während der Trauung, sondern das bescheidene Spiel des Neuenthaler Organisten, der manchmal über den Tasten einschlief.
»Du weißt doch, wir sparen für unsere Flitterwochen!«
Wir hatten die Weide erreicht und rannten am Zaun entlang, argwöhnisch beäugt von vier Kühen, die dem Jogging-Sport offensichtlich eher kritisch gegenüberstanden.
»Thailand ist doch nicht gerade teuer. Hi, Regula, alles im grünen Bereich?«
Gina winkte den Kühen zu, und die vorderste schlug tatsächlich lässig mit dem Schwanz, als ob sie die Begrüßung erwiderte.
»Es ist ja keine einfache Reise, es ist ein geführter Trip zu den geheimnisvollen Flüssen des Dschungels …«
»Wo es bestimmt von Fünf-Sterne-Honeymoon-Hotels nur so wimmelt. Na ja, wenn’s euch gefällt … Dann konzentrieren wir uns eben auf ›schlicht, aber elegant‹. Floh! Aus! Bleibst du hier!« Gina packte den jagdlustigen und durchaus kuhinteressierten Floh am Halsband, und er schmiegte sich an ihr Bein, blickte demütig zu ihr auf. Bis zu diesem Moment hatte ich noch nie bemerkt, dass mein Cousin und sein Hund einander ähnlich sahen.
»So! Wir gehen jetzt
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